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Letztes Kapitel "Jugendünden" von Manuel Magiera


Sklave184

Empfohlener Beitrag

Geschrieben

Manuel Magiera

Jugendsünden

(letztes Kapitel)

 

Studenten

Tina kehrte gerade zurück. Leicht geschminkt, schimmerten ihre Lippen silbrig und betonten einen sinnlichen Mund. Wie erwartet schob sie sich zwischen Andy und Tom, küsste ihren Mann und wandte sich dann dem Ziel ihres Interesses zu. Ich schmunzelte und blinkte mit meinen Augen zu Tom. Der verstand, wir tauschten die Plätze. Ein anregendes Gespräch schloss sich an. Irgendwann spürte ich das Bier in meiner Blase und stand auf. Dabei berührte ich versehentlich Toms Hand. Oder auch nicht? Er gefiel mir und ich war gespannt darauf, wie seine Männlichkeit gebaut sein würde. Tom kam mir hinterher. Tina und Andy flirteten ungeniert weiter miteinander, tauschten Nettigkeiten und Anzüglichkeiten. „Kennst du dich hier schon aus?“, fragte Tom. Ich drehte mich zu ihm und schüttelte den Kopf. Er fasste mich an die Hand und ließ mich nicht mehr los. „Hier sind die normalen Klos. Sie sind auch für Touristen gedacht und nur für biologische Geschlechter eingerichtet. Wir gehen durch diese Tür.“ Er schob mich zu einem Treppenaufgang, auf dem das Wort ‚Privat‘ stand.

Eine dunkelrote schwülstige Tapete empfing uns. Die Toiletten teilten sich ebenfalls für Männlein und Weiblein auf. „Möchtest du für die Mädchen oder für die Jungen?“ Natürlich ging ich in die Knabentoilette, ich war nun auch in meiner schwulen Rolle alles andere als weiblich. Das wäre ja noch schöner. Dann hätte ich mich ja nicht operieren lassen brauchen. Ich erschrak. Oh je, Tom ahnte noch nichts. Und mein Genital hing ziemlich unfertig an mir herunter. Es fehlte der letzte Schliff. Ich würde also Farbe bekennen müssen, dachte mir allerdings nicht mehr viel dabei. Denn, wenn Tom mit Tina konnte, würde er es mit mir auch nicht schwer haben. Ich begleitete ihn zu den Becken, nahm mein bestes Stück heraus. Er ließ mich auch einen Blick auf sich selbst werfen. „Zeig mal, der sieht aber komisch aus. Bist du Trans?“, fragte er. Hey, war das interessant. Endlich mal jemand, der mich nicht als Exoten betrachtete, sondern Ahnung hatte! „Ja, ich bin gerade operiert worden. Nächstes Jahr kommt eine Erektionshilfe ‘rein und aus den Schamlippen wird ein Hoden gebaut. Sie nähen Silikonbällchen hinein, dann bin ich vollständig. Andy ist aber ein normaler Kerl. Ich wurde schon als Kind behandelt, weil meine Eltern die Prägung und das Dilemma recht früh erkannten. Die OP und die Hormone sind erst ab der Volljährigkeit möglich. Meinst du, du kannst mit mir? Das ist nämlich unterschiedlich. Es gibt Leute, die sind stockschwul und da steht nichts, wenn sie mit mir zusammen sind.“ Tom streichelte zärtlich meinen Kleinen und nahm dann seinen heraus. Wir pressten uns aneinander, so dass sich beide berührten. Er zeigte Erregung. „Siehst du, er ist schon ganz heiß auf dich“, flüsterte er. Ich kniete mich mit offener Hose vor ihn und ließ mir eine wunderschöne feste Schlickstange schmecken. Einen Gummi fand ich in meiner Hosentasche. Die hatte ich gewohnheitsmäßig immer dabei. Man konnte ja nie wissen, auf wen man traf. Tom ließ sich verwöhnen und half dem Kondom seine Aufgabe zu erfüllen. „Komm, ich zeig dir etwas Schönes“, raunte er mir zu und führte mich in eine gegenüber der Toilette befindliche Nische. Eine Tür öffnete sich, dahinter war es dunkel, aber ich erkannte eine schwarze Liege in der Mitte. Tom schob mich gezielt und sicher durch die Dunkelheit und ich hörte, wie er einen Schlüssel umdrehte. Wir waren ungestört. Ohne Licht und ohne etwas sehen zu können, zogen wir unsere Kleider aus. Ich gehörte ihm und ließ mich willenlos nehmen. Wir keuchten und stöhnten in Ektase, bis ich fühlte, wie er sich in mir entleerte. Er wartete einen Augenblick, damit ich mich auf dem Bauch liegend reiben konnte und ihm schwitzend das Ende meiner eigenen Erregung signalisierte. Uff, das hatte ich für den heutigen Abend gar nicht erwartet, aber so spielte das Leben. Wer offen durch die Welt ging, fand auch schnell Anschluss. Wir lagen noch eine Weile schweigend und genießend aufeinander. „Ich glaube, wir müssen den anderen auch die Gelegenheit geben“, meinte er und knipste ein schummeriges Licht an. Der Raum war schwarz angemalt und nur die Kissen aus Latex waren in knalligem Rot gehalten. Wir suchten schnell unsere Sachen zusammen und zogen uns wieder an. In der Toilette wusch ich mir die Hände, entsorgte den Gummi und gab Tom einen dankbaren Kuss. Als wenn nichts gewesen wäre, standen wir ein paar Minuten später wieder in der Kneipe, setzten uns an unser Bier und begannen einen Smalltalk mit unseren Partnern. Nach und nach füllte sich das Lokal. Viele Männer saßen in den Nischen und auch die Barhocker belegten sich mit den knackigen Hintern schwuler Gäste. Einige blickten neugierig und wollüstig zu uns. Aha, sie nahmen uns Neuankömmlinge in Augenschein. Frischfleisch konnte man immer gebrauchen. Tina entschuldigte sich. Andy auch. Beide verschwanden in Richtung Klo. Was das hieß, brauchte mir niemand zu erklären. Andy würde in Kürze eine ebenso detaillierte Einweisung in die Örtlichkeiten erhalten, wie ich. Tina war ganz sein Geschmack. Bei ihr konnte er seine heterosexuelle Begierde ausleben, ohne vor einer biologischen Frau Angst haben zu müssen. Bei Tina war ein Versagen seinerseits unwahrscheinlich. Das wusste er ganz genau und hatte sich insgeheim wohl schon freudig sein Liebesspiel mit ihr ausgemalt. Es dauerte auch etwas länger, bis die beiden erschöpft wieder bei uns am Tisch saßen.

Ich hatte immer mal wieder auf die Uhr geschaut. Morgen früh fand um zehn Uhr die Begrüßung der Erstsemester statt. Da bestand Anwesenheitspflicht, wir wurden namentlich aufgerufen. Es war zwei Uhr durch. Wenn wir einigermaßen ausgeruht im Audimax sein wollten, sollten wir uns langsam nach Hause begeben. Andy nickte, als ich mit ihm darüber sprach. Wir verabschiedeten uns von unseren neuen Bekannten und winkten Alois zu. Draußen standen einige Taxen. Ich hatte keine Lust mehr zu laufen. Das Studenten ein Taxi nahmen, kam auch in München nicht so häufig vor. Aber wir hatten Geld genug, dank unserem Zuhälter in Hamburg. Ich knuffte Andy. Jacob lag schon im Bett, als wir zu Hause eintrafen, doch er schlief noch nicht. Er stand vorwurfsvoll wie eine Mutter in seiner Zimmertür, als wir in die Wohnung kamen. „Eh, Leute, morgen früh erwarte ich einen detaillierten Bericht von euch. Aber wir haben um zehn Uhr Einführung, schon vergessen?“ „Reg dich ab, Mama, wir gehen jetzt schlafen und ich stell auch den Wecker. Es war geil, aber du als hetero willst sicher gar nichts über das Münchner Schwulenleben wissen. Hast du deine Kleine schon gevögelt?“ Jacob sah mich grinsend an, sagte „Arschloch!“, und verschwand wieder in seinem Bett. Um acht Uhr rasselte mein Wecker. Die Sonne schien. Mein erster Weg führte an den Kühlschrank. Eier und Toast waren reichlich vorhanden. Jacob wackelte in die Küche, griff sich die Kaffeekanne und schaffte es irgendwie tatsächlich die Kaffeemaschine in Gang zu bringen. Andy duschte. Ich deckte zusammen mit unserem zweiten Sklaven namens Jacob den Tisch. Seine Majestät kam herein, fragte nach dem Schinken und schimpfte, dass er sich diesen selbst noch aus dem Kühlschrank nehmen musste. Ich ging ebenfalls duschen, Jacob folgte. Irgendwie lief alles wie am Schnürchen. Morgen könnten wir mal auf der Dachterrasse decken, dachte ich. Als ich in der Küche saß, stand Andy am Herd und haute die Eier in die Pfanne. Mit dieser Arbeitsteilung konnten wir zufrieden sein. Pünktlich um halb zehn Uhr begann der Ernst des Lebens für die drei frisch gebackenen Studenten. Ja, man konnte nicht nur von Liebe und Sex existieren. Schade, dachte ich. Aber es würde sicher genügend Zeit bleiben, um alle unsere besonderen Bedürfnisse zu befriedigen. Ich las, während wir zur Uni spazierten, laut meine Mails vor. Hubertus, Conny und Rene wünschten uns Glück und reichlich Potenz. Beatrix schickte zur Bekräftigung ihrer Wünsche das Foto eines erigierten Schwanzes. So ein Luder! Im Audimax füllten sich die Plätze. Wir saßen gewohnheitsmäßig etwas weiter hinten. Der Dekan kam herein, begrüßte uns und nach und nach wurden wir mit einem lustig-ernsten Vortrag durch unser künftiges Studentenleben geführt. Trotz meiner guten Schulnoten machte ich mir einige Sorgen, wie die Prüfungen an einer Hochschule ablaufen würden. Vater und Mutter erwarteten gute Leistungen von mir, das war klar. Üblicherweise stellten die Grafen von Wildenstein auch stets die Elite der Universitätsabgänger und deshalb baute sich schon ein ziemlicher Druck bei mir auf. Während des Essens in der Mensa kam ein älterer Mann auf mich zu. Er stellte sich als Professor Moritz von Tannen vor und erzählte, mein Vater wäre einer seiner Studenten gewesen, als er noch an der Uni lehrte. Er sprach in sehr hohen Tönen von meinem alten Herrn, so dass ich mich fragte, ob der Herr Professor nicht vielleicht den falschen jungen Grafen von Wildenstein angesprochen hatte. Nein, das war natürlich nicht der Fall. Er wünschte mir alles Gute, ich solle meinen Vater grüßen und wenn ich mal Fragen und Probleme hätte, würde er mir sofort helfen. Gut, ich bedankte mich höflich. Andy und Jacob kratzbuckelten vor mir. Herr Graf hier, Herr Graf da. Irgendwann wurde mir ihr Eifer zu bunt und ich beendete den Blödsinn. Maja erschien am späten Nachmittag bei uns in der Wohnung. Sie nahm Jacob lächelnd den Staubsauger aus der Hand und half ihm sein Zimmer aufzuräumen. Wie machte der Typ das nur? Nun, vielleicht hätte ich Jenny, wenn sie denn hier wäre, auch dazu bringen können, den Haushalt zu übernehmen. Eigentlich könnten wir tatsächlich in Erwägung ziehen, sie im nächsten Jahr in München Tiermedizin studieren zu lassen. Maja hatte eine Freundin im Schlepptau, die sich sehr interessiert umsah. Ich musste die beiden aufklären. Jenny forderte leider ihren Tribut. Ich war so gut wie verlobt und Andy? , fragten sie. Ja, sie könnte es mal versuchen, aber der Erfolg war wohl mäßig. Andy stand ausschließlich auf Leute mit Schwanz und damit konnte sie natürlich nicht dienen. Traurig verabschiedete sie sich von uns. Nun, Maja hatte ihren Jacob fest an der Angel. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Für mich gab es in München keine Ausflüge in die Damenwelt. Das würde mir sehr schlecht bekommen. Jenny besaß überall Verbindungen und ließ ihre Spione für sie arbeiten. Vielleicht war Grit, so hieß die Unglückliche, auch schon so ein Teil dieser Untergrundorganisation gewesen, und ich tat gut daran, alle Versuche liebestoller Frauen abzuwehren. Mein Weg führte zu Alois in die Schwulenkneipe. Aber das war auch in Ordnung so. Dort würde ich genug Partner für einen One Night Stand oder auch für eine längere Beziehung finden und den Segen meiner Zukünftigen, hatte ich ja dafür. Die nächsten Wochen vergingen rasch. Ich musste viel lernen und saß oft bis mitten in der Nacht am PC.

Am Wochenende amüsierten sich Andy und ich bei Alois. Der Dresscode Abend war supergeil verlaufen. Wir hatten viele Leute aus der Szene kennengelernt. Ich durfte als SM-Sub herhalten und mein Erfahrungsschatz auf dem Gebiet wuchs. Es waren auch ältere Studenten darunter, die wir hin und wieder zum Essen in der Mensa trafen. Schulisch versuchte ich Informationen zu sammeln und ließ mir von den alteingesessenen höheren Semestern gerne helfen. Mitte November stand unser Transkidstreffen in Hamburg an. Am Freitagabend flogen wir zu dritt los. Andy und Jacob wollten unbedingt mit. Letzterer riskierte sogar den ersten ‚Ehestreit‘, aber seine Geliebte lenkte ein, nachdem sie selbst eine schöne Abwechslung fürs einsame Weekend gefunden hatte. Wir geilten uns während des Flugs gegenseitig auf. Rene und Conny standen beide auf dem Airport. Das Begrüßungskomitee jubelte uns zu, als wir aus der Ankunftshalle kamen. Wir sollten erst am Samstagmittag beim Doc im Hotel sein und konnten uns auf diese geniale Weise zunächst mit unseren Freunden treffen. Conny wollte sich gleich um Jacob und Andy kümmern, wenn wir zwei anderen am nächsten Tag unabkömmlich wären. Ich sah Rene aus dem Augenwinkel an. Na, da hätte Maja ihren Jacob wohl besser nicht fliegen lassen sollen, dachten wir beide zur selben Zeit und grinsten. Andy würde sicher in der Bar bei Kurt unterkommen. Er machte schon während des Flugs leise Andeutungen, dass er wohl den Abend über bei Kurt etwas Taschengeld verdienen sollte. Es verhieß leicht verdientes Geld für ihn und seine Neigung. Kurt war so etwas wie ein Geheimtipp für gut betuchte Freier geworden und ließ uns nur zu gerne an seinem Verdienst teilhaben. Conny schubste mich zur Seite und erzählte mir beim Küssen, dass ich sofort ins Hotel fahren müsste. Dort wartete bereits jemand sehnsüchtig auf mich. Morgen früh um halb elf Uhr wollte Conny mit Rene kommen und uns in die Jugendherberge zu unseren Kids bringen. Er verriet mir nicht, wer der Geheimnisvolle war. Ich überlegte. Dimitri, sicher nicht. Oder doch? Ich sah immer noch recht jung aus und konnte mich in der Rolle eines ***agers noch ziemlich gut bewegen. Ken hatte keine Zeit, er war in Kolumbien unabkömmlich. Sensei? Mein Herz schlug schneller. Wir hatten uns seit unserem Abschied nicht mehr gesehen und nur einmal erhielt ich eine Mail von ihm. Das war kurz nach der OP gewesen. Er wünschte mir gute Besserung und stellte mir ein Wiedersehen in Aussicht, vielleicht noch in diesem Jahr. Ich klopfte Conny auf die Schulter und nahm die S-Bahn ins Mercator. Frau Mayer, mit Y, lächelte wie immer. „Zimmer 324, wie geht es Ihnen, gut?“ „Danke, ja. Ich hoffe Ihnen auch“, erwiderte ich aufgeregt. Als ich anklopfte, öffnete tatsächlich mein verehrter Samuraimeister und nahm mich liebevoll in seine Arme. Wir küssten uns minutenlang, bis wir auf den mit japanischen Matten ausgelegten Fußboden sanken und er mir einen Tee in die Hand gab. Ich hatte nichts vergessen. Wir tauschten alle Höflichkeiten aus, die er mir beigebracht hatte. Ich erzählte von der Universität, er hörte schweigend und interessiert zu. „Meijo-Kun, mein Herz freut sich zu hören, wie gut es dir geht. Aber noch glücklicher bin ich darüber, dass du so fleißig lernst und deinem Vater Ehre machst. So gehört es sich für einen jungen Samurei. Das Wichtigste ist unsere Ehre.“ Ich sah ihm respektvoll in die Augen. „Ja, Sensei, ich will meinem Vater alle Ehre machen. Aber erlaube mir, auch dir dies zuteilwerden zu lassen, denn du bist wie ein zweiter Vater für mich. Ich kann dir gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich dich liebe und verehre.“ Ich verbeugte mich tief. Nichts war gespielt. Alles war echt. Ich liebte diesen Mann auf eine besondere Weise aus tiefstem Herzen. Er lächelte und schwieg. Wir tranken unseren Tee. „Möchtest du dich frisch machen?“, fragte er. Ja, ich mochte. Nach dem Duschen legte er mir meinen Kimono um, küsste mich zärtlich. Wir versanken. Ich gehörte ihm jetzt, wie ein junger Samuraischüler seinem Meister gehörte. Die Zeit war für uns stehen geblieben. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als das diese Nacht in die Ewigkeit eingehen würde. Er lag entspannt hinter mir, während ich mich in seine Arme kuschelte. „Woran denkst du?“, fragte er. „An die Samuraischüler, die früher genau wie ich jetzt, in den Armen ihrer Meister lagen. Ob sie sie auch immer so geliebt haben?“ „Das war so üblich. Wenn nicht, hat der Meister etwas falsch gemacht. Und, wie geht es dir mit mir? Mache ich mit meinem Schüler alles richtig?“ Ich drehte mich um und küsste ihn voller Liebe und Hingabe. „Da fragst du noch? Ich stelle mir gerade vor, wie ich an deiner Seite für meinen Herrn und Kaiser kämpfen würde, den Tod nicht fürchte und mit meinem Schwert alle Feinde besiege. Am Ende, verlieren wir alles wieder und müssen uns gemeinsam in unsere Schwerter stürzen. Mit dir zu sterben, wäre für mich eine Belohnung“, seufzte ich und meinte selbst das ernst. „Nun gut, dass wir heute unsere Schwerter nicht mehr im Kampf benutzen dürfen. Auch der rituelle Selbstmord ist inzwischen verboten. Ich denke, Meijo-Kun, wir zwei sollten besser das Leben und vor allem diese Nacht genießen. Du hast morgen Mittag eine Aufgabe zu erfüllen. Dann müssen wir uns wieder trennen und wissen nicht, wann wir uns wieder sehen können.“ Hach, das tat so gut. Auch wenn ich auf der Stelle ohne Bedenken für ihn in den Tod gegangen wäre, war auch mir das Leben lieber. Ja, wir sollten genießen, das jetzt und hier und nicht ans Morgen denken. Ich drückte mich an ihn, schlummerte ein und spürte, wie er irgendwann wieder Besitz von mir nahm. Unser Abschied wurde genauso feierlich und rituell, wie damals, auf dem Flughafen. Er blieb diesmal im Hotelzimmer.

Conny wartete unten auf mich. Auf der Fahrt ins Jugendhotel zeigte ich ihm den prall gefüllten Umschlag. Er nahm sich einige Scheine aus und gab mir den Rest zurück. „Damit meine Ponys nicht vergessen, in welchen Stall sie gehören“, grinste er. An der S-Bahn Haltestelle stieg ich aus und traf Rene am Ausgang. Wir legten die Arme freundschaftlich um unsere Schultern. Es gab eine große freudige Begrüßung beim Doc. Frau Wagner war auch da und wollte wissen, wie es uns ging. Sie hatte bereits früh am Vormittag alle rechtlichen Probleme mit den Jungs durchgearbeitet. Was für ein schönes Gefühl, sie und den Doc wiederzusehen. Ohne die beiden, wären wir sicher nicht hier. Vor allem Doktor Reimers hatten wir unser jetziges Leben in unserem gefühlten Geschlecht zu verdanken. Wir saßen allerdings nur mit den Jungen in einer Runde. Die Einrichtung des Seminarraumes hatte sich seit dem letzten Jahr nicht verändert. Fünf Augenpaare schauten uns neugierig und sogar etwas neidisch an. Es waren einige abgesprungen, so dass sich die Gruppe verkleinert hatte. Für mich war das kein Problem, im Gegenteil. So konnten wir uns mit jedem sehr viel intensiver befassen. „Ja, ich begrüße euch. Max und Rene, die ich jetzt seit einer Ewigkeit begleite. Sie wurden vor knapp vier Monaten operiert. Im Frühjahr wird die Erektionshilfe eingesetzt und auch noch ein Hodenersatz geformt. Ich möchte euch zwei einfach bitten, kurz etwas von euch und eurem Leben zu erzählen. Bitte, OP Einzelheiten noch nicht einbeziehen, das machen wir später. Es gibt auch noch den Weg zurück ins biologische Geschlecht, den gerade zwei meiner jungen Patienten wieder gehen möchten und die ich natürlich auch dabei begleite. Beide sind jetzt selbstverständlich nicht hier. Deshalb ist die Runde etwas kleiner geworden.“ Oh, das war etwas ganz Neues. Ich überlegte, wie so etwas kam. Die meisten, die es bis hierher geschafft hatten, wussten, was sie wollten. Jugendliche, die wieder umschwenkten, gab es eigentlich selten. Darüber würde ich mit Herrn Reimers später sprechen. Frau Wagner saß interessanterweise noch bei uns und blickte mich lächelnd an. Sie war als Psychologin natürlich mit allen Wassern gewaschen. Wahrscheinlich ahnte sie bereits, an was ich dachte. Nun denn, dann wollte ich auch anfangen. „Ja, also, ich heiße Max und dass ich kein Mädchen bin, wusste ich bereits mit drei Jahren. Ich denke, die Gefühle, im falschen Geschlecht zu leben, sind auch euch hinreichend bekannt, sonst wärt ihr nicht hier. Für mich gab es kein Wenn und Aber. Ich war ein Junge. Anfangs versuchten meine Eltern alles, um mich vom Gegenteil zu überzeugen. Doch als ich meine erste Blutung bekam, war Schluss damit. Ich hatte ein ziemlich heftiges Gespräch mit meiner Mutter und sie war gottlob mit einer Psychologin befreundet. Die kannte sich zwar nicht mit Kindern aus, konnte ihr aber Telefonnummern von Ärzten und The***uten nennen. So landete ich endlich hier beim Doc, den wir inzwischen lustig als Ziehpapi bezeichnen. Für mich war es wichtig, dass ich Menschen fand, die mich mit meinem Wunsch ernst nahmen und mir erlaubten, so zu leben, wie es für mich gut war. Die Schule spielte mit und alle anderen auch. Nur ein paar Leute, versuchten mich zu mobben. Aber die bekamen es mit meiner Mutter zu tun. Die Zeit hier beim Doc war schön und doch nicht. Als ich nämlich älter wurde, bekam ich so etwas wie eine Depression, weil ich bis siebzehn Jahre auf meine Hormone warten sollte. Alle meine Freunde und Kumpels entwickelten sich zu jungen Männern und ich war noch ein Kind, wenngleich ich mich auch in meine jetzige Freundin verliebte.“ Ein kleiner blonder Bursche meldete sich. „Darf ich etwas fragen?“ Doc Reimers lachte. „Natürlich, Joe, dafür sind wir ja hier. Am besten, ihr sagt erst Mal euren Namen und euer Alter, dann können sich Max und Rene ein Bild von euch machen.“ „Ich heiße Joe, eigentlich bin ich auf Johanna getauft, aber ich bin kein Mädchen und meine Eltern finden das auch okay. Ich will meinen Namen in Johannes ändern lassen und Joe klingt fürs Tägliche einfach besser. Ich bin Fünfzehn. Max, hast du auch die Spritze bekommen, die deine Pubertät unterdrückt? Wie konntest du dich da verlieben, wenn du noch gar keine Hormone hattest?“ Ich staunte. Der sah wie elf oder zwölf Jahre aus. „Ich hab dich auf gerade mal Zwölf geschätzt, entschuldige. Natürlich bekam ich die Spritzen vom Doc und ich fühlte mich sehr gut damit. Das Wachstum läuft ja unvermittelt weiter und ich war zudem sehr sportlich. Vor allem machte ich Kampfsport, womit ich schon mit acht Jahren angefangen hatte. Und dann ritt ich natürlich, spielte obendrein Fußball im Verein. Mein Körper blieb in der Entwicklung nur im Hinblick auf die Brust und auf die Regel stehen und auf beides konnte ich verdammt gut verzichten. Mit dem Kopf hat das nichts zu tun.“ Alle lachten daraufhin spontan. „Als ich zum Sichtungslehrgang der Deutschen Reiterlichen Vereinigung eingeladen wurde, traf ich dort Jenny, sie wurde meine Freundin und irgendwann erzählte ich ihr alles. Es machte ihr nichts aus, denn ich wollte mich ja operieren lassen. Rene und ich trafen uns hier im vergangenen Jahr und ich hatte außerdem einen guten Freund zu Hause. Der ist jetzt mit mir in München und studiert ebenfalls. Mit Rene und Andy lernte ich die andere Richtung kennen, also das Homoleben, und inzwischen weiß ich, dass ich bisexuell bin. Es kommt eigentlich alles automatisch von selbst. Entweder, man verliebt sich ausschließlich in andere Jungen oder in Mädchen oder in beides. Wichtig ist vor allem auch, dass der Doc euch die alleinige Entscheidung bei der Hormoneinnahme überlässt. Er gibt euch nichts vor. Nur die Altersgrenze mit Siebzehn. Danach könnt ihr selbst wählen, als was und wie ihr leben wollt. Ich denke, wer da noch Zeit braucht, der soll sie sich auch unbedingt lassen. Die OP ist nicht mehr rückgängig zu machen. Und auch da gibt es unterschiedliche Methoden. Ich wollte alles möglichst schnell durch haben, aber jeder ist anders und es gibt viele Leute, die erst die Brust operieren lassen und sich dann nach und nach an die anderen OP’s herantasten.“ Joe nickte. „Ich frag nur deshalb, weil ich anfange, nach Jungs zu schauen. Da meldet sich etwas bei mir, das gar nicht an meinem Körper ist. Wie ein Phantom. Mir fehlt der Schwanz. Aber wenn ich mich in  einen Jungen vergucke, werde ich schwul und davor habe ich Angst. Das ist auch der Grund für Melf und Kevin gewesen, sich erst mal wieder von der Behandlung zurückzuziehen. Es ist schon schwer genug den Eltern zu verklickern, dass man Trans ist, aber Trans und Schwul, das geht dann gar nicht.“ Joe sah mich traurig an. Rene schluckte, oh Gott. Nun waren wir wirklich gefragt. „Das ist ein großer Denkfehler“, erwiderte Rene. „Eure Ausrichtung steht selbst bei normalen Kids in diesem Alter noch nicht fest. Auch Leute, die sich mit ihrem Geschlecht in Einklang befinden, merken erst in der Pubertät oder manchmal sogar erst viel später als Erwachsene, dass sie bi sind oder schwul/lesbisch. Ihr dürft euren transsexuellen Weg nicht von einem Vorurteil der Gesellschaft abhängig machen. Das Wichtigste seid ihr. Ihr müsst mit eurem Geschlecht zufrieden leben können und euch sicher als Jungen oder Mädchen fühlen. Die Ausrichtung ist überhaupt nicht wichtig. Zeit lassen, ist völlig okay. Keine überhastete Hormoneinnahme oder gar OP. Aber, ob ihr später als Männer schwul lebt oder als Heteros, ist für euren eigenen Weg vollkommen egal. Wer nur wegen der Eltern und eventueller gesellschaftlicher Schwierigkeiten auf die Angleichung verzichtet, macht möglicherweise einen gewaltigen Fehler. Wir sind beide Bi und wir stehen dazu. Unsere Familien wissen das inzwischen auch. Niemand regt sich noch zu Hause über unsere Freundschaften auf. Für meine Eltern zählen nur mein Abi und das Studium. Ich muss eines Tages für mich selbst sorgen können. Und das, sobald es möglich ist, damit sie nicht mehr für mich zahlen müssen. Das ist auch der normale Weg. Irgendwann muss jeder sein eigenes Geld verdienen. Also, Beruf und keine Straftaten, keine Drogen. Kein Schnaps. Das ist wichtig und alles andere, sagen meine Eltern, muss ich mit mir selbst abmachen. Nun, Max‘ Vater besitzt eine Schnapsfabrik und eine Brauerei, da bin ich manchmal froh, doch ich Hamburg zu studieren und nicht in München, bei Max und Andy. Allerdings nur manchmal. Meistens fehlen sie mir“, Rene warf mir einen zärtlichen Blick zu. Oh, das ging wieder runter wie Öl. Und ich hatte verstanden. Wir mussten diesen Jungen die Angst nehmen, aus dem möglichen Mobbing wegen ihrer transsexuellen Veranlagung nicht mehr herauszukommen, weil sie nach der Angleichung als Homosexuelle gleich wieder in die nächste ‚Katastrophe‘ schliddern würden. Ich beugte mich zu Rene, erwiderte seinen liebevollen Blick und schlang die Arme um ihn. Wir küssten uns, wie wir es immer taten.

Die Jungen blickten erschrocken zum Doc und dann überrascht auf uns. Einige atmeten hörbar aus. Da fielen wohl gerade etliche Steine von fünf jungen Herzen, das war deutlich spürbar Ich bezweifelte, das sich auch alle in homosexuelle Partnerschaften verlieren würden. Das schwule Ausprobieren war für die meisten nur eine Durchgangsstation, um sich selbst auszutesten und kennenzulernen. Wenn sich nach der OP die Gelegenheit bot, würde sich die Mehrheit um Mädchen bemühen. Der prozentuale Anteil Homosexueller, war bei uns Transsexuellen nicht anders als bei den biologischen Männern und Frauen. Frau Wagner machte sich Notizen und wischte sich eine kleine Träne aus dem Auge. Sie nickte Herrn Reimers zu. „Die Idee war gut, Achim. Siehst du es jetzt ein? Ich hatte recht.“ „Ich werde mit den anderen entsprechend reden, auch mit den Eltern. Danke, ihr zwei. Auch ich lerne noch dazu“, meinte der. Die Erleichterung stand allen Jungen ins Gesicht geschrieben. Sie quatschten auf einmal durcheinander, fragten uns Löcher in die Bäuche und wir erzählten über unsere Erfahrungen in Sex und Liebe. Natürlich nur über das, was im erlaubten Bereich lag. Von Conny und unserer Stricherkarriere erfuhr niemand etwas. Es war ein besonderes Kapitel unseres Lebens, welches nur uns selbst gehörte und ich hoffte, dass unsere verräterischen Youtube Videos aus Hamburg auch bald in der Versenkung verschwanden. „Warum warst du letztes Jahr noch nicht dabei, Joe?“, fragte Rene. Das interessierte mich ebenfalls, denn schließlich hatte uns der Doc ja erklärt, wir wären die einzigen männlichen Transkids gewesen. „Ich bin aus dem Ruhrpott nach Hamburg gezogen und kam erst kurz nach eurem ersten Treffen zum Doc“, erzählte er. „Das stimmt, und Julian ebenfalls. Jan und Birger waren erst Zwölf und mir somit noch zu jung für die Truppe. Die hätten von euch beiden Großen zu viel Blödsinn gelernt“, sagte der Doc. „Ja, und Sami hat ein ganz besonders tragisches Schicksal zu bewältigen. Ich weiß im Augenblick gar nicht, was ich mit ihm machen soll“, setzte er nach und sah den kleinen dunkelhaarigen Jungen an seiner Seite mitfühlend an. „Es ist nicht schlimm, Doktor. Ich bin gerne ein Junge. Ich kenne es gar nicht anders“, antwortete der und lächelte. „Darf ich deine Geschichte erzählen oder möchtest du es selbst tun? Die anderen wissen nichts von dir.“ Sami überlegte. „Dann tue ich es selber. Ich heiße Sami, bin elf Jahre alt und stamme aus Afghanistan. Wir sind erst seit einem Jahr in Deutschland. Mein Vater war Lehrer an unserer Dorfschule. Wir wohnten sehr weit weg von der Hauptstadt Kabul auf dem Land. Ich habe einen siebzehnjährigen Bruder, einen zwanzigjährigen Bruder und ich hatte auch eine Schwester. Sie war dreizehn Jahre alt, als sie starb. Meine Mutter sollte damals wieder ein Kind bekommen, nämlich mich. Meine Eltern sind beide sehr fortschrittlich. Mein Vater unterrichtete deshalb auch die Mädchen in unserem Dorf. Eines Tages kamen Taliban und haben mehrere Männer, die sich ihnen in den Weg stellten, erschossen. Meinen Vater haben sie verprügelt und gedroht, ihn umzubringen, wenn er weiter Mädchen unterrichtet. Meine Schwester wollte ihm helfen, dann…“ Sami hielt inne, senkte den Kopf. „Sie haben sie auch geschlagen und mitgenommen. Eine Bäuerin aus dem Dorf hat sie später gefunden. Sie haben ihr etwas Schlimmes angetan und sie danach einfach erschossen. Meine Mama war völlig fertig und weinte nur noch. Als ich dann zur Welt kam und sie sah, dass ich ein Mädchen war, sagte sie meinem Vater, ich wäre ein Junge. Niemand merkte etwas. Ich trug Jungenkleider und ging nur mit Mama zur Toilette. Sie erzählte mir, als ich in die Schule kam, dass ich eigentlich ein Mädchen wäre, aber niemand das wissen durfte und ermahnte mich, immer aufzupassen, wenn ich zur Toilette ging. Irgendwann bekam ich Durchfall in der Schule, mein Vater wollte mir helfen. Ich hatte furchtbare Angst vor ihm, aber er nahm mich nur in die Arme und weinte. Zuhause weinten meine Eltern dann beide. Vater fuhr kurz danach in die Stadt und Mama erzählte, dass wir Afghanistan verlassen wollten. Es dauerte noch zwei Jahre, bis sie alle Papiere zusammen hatten und dann sind wir in der Nacht aufgebrochen. Wir besaßen Flugtickets. Mein Vater durfte hier in Deutschland gleich als Lehrer und Übersetzer arbeiten. In meinem Ausweis steht immer noch, dass ich ein Junge bin. Meine Eltern wollten aber, dass ich als Mädchen lebe, aber ich will nicht. Ich bin ein Junge. Ich hoffe, der Doktor kann meine Eltern umstimmen und mir helfen.“ Rene und ich starrten uns betroffen und geschockt an. Wie krass war denn so etwas? Hier musste jeder zur Schule gehen und warum durften Mädchen nicht lesen und schreiben lernen? Aber ich hatte natürlich in der Schule und aus den Nachrichten von dem Leid der Kinder in diesen muslimischen Kriegsgebieten gehört. Es gab in vielen islamischen Ländern Männer, die Frauen den Schulbesuch verboten. Nur, ist es ein Unterschied, ob man etwas im Fernsehen sieht und in der Zeitung liest oder es direkt erlebt. Sami saß jetzt tatsächlich neben uns. „Ich glaube, ich hätte an Stelle deiner Mutter genauso gehandelt“, sagte ich. „Wenn alle Kinder in Afghanistan Jungen werden, gibt es keinen Nachwuchs mehr, dann sterben die Taliban aus. Aber, im Ernst, deine Mama wird ein Leben lang darunter leiden, dass sie ihre Tochter verloren hat und ihre Reaktion, dich nur retten zu können, wenn sie dich zum Jungen erklärt, kann jeder vernünftige Mensch nachvollziehen. Doch, du bist natürlich nicht so transsexuell wie wir. Du bist dazu gemacht worden und ich denke, für dich ist es am besten, die Pubertät wird unterdrückt, du gehst ganz normal als Junge zur Schule und schaust mal, ob du dich auch bei den Mädchen wohlfühlst. Du solltest offen bleiben für beides und dich auch nicht so schnell entscheiden. Warte ab, bis du vierzehn oder fünfzehn Jahre alt bist und verlieb dich das erste Mal. Vielleicht verliebst du dich in einen Jungen und fühlst dich auf einmal wie ein Mädchen. Dann kannst du dich entsprechend kleiden und deine Pubertät erleben. Für jemand wie dich ist die Altersgrenze vom Doc wirklich gut. Vor allem, geh in die Schule und lerne. Wenn du ein Mann bleiben willst, ist auch das okay und du kannst vielleicht später den Mädchen in deiner Heimat besser helfen, als wenn du eine Frau bist.“ „Ich hatte Ähnliches im Sinn“, antwortete Doktor Reimers. „Wir werden uns viel Zeit mit Sami lassen. Ein solcher Fall geht mir immer sehr nahe. Wir hatten so etwas hier noch nie und es macht mich einfach wütend, wenn Männer es zulassen, dass Frauen nicht einmal ihren Namen schreiben können und so viel Angst und Schrecken verbreitet wird, dass solche Entwicklungen dabei herauskommen. Sami, deine Mutter hat richtig gehandelt. Sie wollte, dass du etwas lernst und wenn das in deiner Heimat nur als Junge möglich ist, gab es nur diese Lösung. Wir warten ab, wie du dich entwickelst. Und wenn du jetzt noch ein Junge sein willst, dann belassen wir es dabei. Frau Wagner wird dich ja auch begleiten.“ Die nickte und warf dem Kleinen einen aufmunternden Blick zu. „Ich glaube, wir müssen jetzt über ganz andere Dinge reden, als über deine Geschlechtlichkeit. Das wichtigste ist im Augenblick deine Beziehung zu deinen Eltern, vor allem zu deiner Mutter“, meinte sie. Herr Reimers sah nachdenklich auf die Uhr. „Ich denke, wir machen jetzt erst mal eine Mittagspause, damit ihr etwas zu essen bekommt. Danach könnt ihr zusammen die Spielmöglichkeiten in den Aufenthaltsräumen in Augenschein nehmen und euch mit Max und Rene frei unterhalten. Um drei Uhr ziehen wir uns an und fahren ins Aquarium. Danach geht’s bis acht Uhr weiter ins Sportcenter. Max, Rene, ich wäre froh, wenn ihr uns begleitet. Dann hab ich ein paar Aufpasser mehr für die Rasselbande. Wenn alle Mann wieder in der Herberge sind, könnt ihr gerne fahren. Ich nehme an, ihr trefft euch mit euren Hamburger Freunden?“ Rene nickte. „Klar, machen wir, Doc. Die Kids sollen auch alles fragen, wir werden uns beim Spielen mit ihnen weiter beschäftigen. Wenn wir um neun Uhr gehen können, ist es früh genug.“

Samis Augen ruhten während der Mahlzeit ständig auf mir. Ich hatte ihn auch ins Herz geschlossen. Wer seinen Lebenshintergrund nicht kannte, käme nie auf die Idee, dass er vom Grundgeschlecht ein Mädchen war. Wir spielten erst Tischfußball, holten uns dann die Schlüssel für die Kegelbahn und zeigten am Schluss allen die Billardregeln. Das Hamburger Aquarium am späten Nachmittag wurde auch für Rene und mich ein Erlebnis. Joe bat mich auf dem Klo, ihm etwas mehr zu zeigen und fragte nach der OP Methode. Für ihn war der transsexuelle Weg nur eine Frage der Zeit. Auch die anderen drei zeigten deutliche Anzeichen ihrer besonderen Prägung. Sami hatte die Qual der Wahl. Wie er sich später entscheiden sollte, war offen. Ich tippte allerdings darauf, dass er ein Junge bleiben würde. Die ersten Lebensjahre legten ihn bereits in seine Rolle fest. Vielleicht, wenn ein Junge kam und ihm seine verborgene Weiblichkeit zum Bewusstsein brachte? Wir begleiteten unsere jungen Freunde am Abend wieder in die Jugendherberge. Unsere eigenen neuen Termine beim Doc waren längst abgemacht und er verabschiedete sich sehr herzlich von uns. Unser Weg führte gewohnheitsmäßig zu Conny. Als keiner öffnete, nahmen wir Kai ins Visier. Der lachte, als er uns sah und freute sich über das unverhoffte Wiedersehen. Conny war bei ihm gewesen und hatte Andy und Jacob im Schlepptau gehabt. Aber außer Bier, klappte bei ihnen nichts. Die beiden schafften bei Kai keine Erregung mehr hervorzurufen. „Zu männlich und zu erwachsen“, seufzte er. Dabei sah er mich mit durchdringendem Blick an. Nein, nein. Ich wollte die schöne Zeit mit Sensei nicht mit Kais Gestank vertauschen. Rene hatte kapiert und schob mich schnell zur Tür hinaus. „Uff, gerade noch mal gut gegangen. Aber da wird sich Zuhälter sicher ärgern. Jacob hat ihm noch nichts eingebracht“, meinte er grinsend. „Lass uns zum Parkplatz tigern. Ich glaube, da ist noch nicht aller Tage Abend.“ Conny ließ nicht so schnell locker. Das wusste ich. Und am Parkplatz konnte Jacob hervorragend arbeiten. Zehn Minuten später schauten wir uns dort um. Conny stand in der Ecke und beobachtete das Treiben aus sicherer Entfernung. „Na, Kollege, wo hast du deine Ponys laufen?“, fragte Rene. „Das eine trabt gerade durch den Park und der andere ist im Klo“, grinste der selbstsicher. „Und nun bringen wir die nächsten beiden unter.“ Ich schüttelte den Kopf. „Ne, mein Lieber, ich hatte gestern mein Date mit Sensei und werde heute nicht mehr unter meiner Würde anschaffen.“ Rene nickte. „Ich auch nicht, schlag dir das gleich aus dem Kopf“, echote er. Connys Augen wurden klein. „Schlagen ist das richtige Stichwort. Ihr zwei bekommt eine horrende Tracht Prügel, wenn ihr nicht augenblicklich an eure Arbeit geht“, sagte er mit, gespielt, verschärftem Ton. Das wollte ich heute darauf ankommen lassen. Ich hatte schlicht keine Lust mehr. Andy und Jacob bekamen ihren Spaß, das musste reichen. Rene dachte ebenso. „Ganz ehrlich, Conny, es war zwar schön mit den Kids, aber teilweise ging es mir auch sehr nah.“ Er erzählte von Sami. So etwas ließ auch unseren harten Zuhälter nicht kalt. „Okay, dann seid ihr heute befreit. Da kommt Andy. Mal sehen, was der verdient hat.“ Andy lächelte als er uns sah. Er gab Conny demütig 30 Euro. „Kommt ihr mit?“, fragte er uns gleich. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, wir sind heute ausnahmsweise befreit und feiern unsere Überstunden ab“, fiel mir spontan ein. Andy warf mir daraufhin einen strengen Blick zu. „Dann muss ich wohl alle Sonderschichten selbst einlegen“, brummte er und ging erneut auf die heranfahrenden Autos zu. Einen Moment später konnte ich mich vor Kichern kaum beruhigen. Die arme Maja, wenn die wüsste, was ihr stolzer Jacob gerade auf dem Jungenstrich tat, würde sie sofort total vom Glauben abfallen. Jacob schaute mit rotem Gesicht verschämt auf den Boden, als er zu uns trat und Conny seinen Arbeitslohn gab. „Es ist nicht, was ihr denkt! Ich bin nicht schwul, wie ihr. Ich wollte das nur mal ausprobieren und Conny ist ‘n netter Typ. Jemand muss ihm doch helfen, damit er nicht verhungert“, versuchte sich mein Sandkastenfreund zu entschuldigen. „Jacob, das ist völlig okay, wir sind auch Connys Charme erlegen. Rene und ich haben nur so viele Überstunden und dank Kurt sind wir nun auch Edelstricher, die hier natürlich nicht mehr arbeiten dürfen. Das Klientel, du verstehst?“, begann ich spöttisch, nur um ihn etwas zu verarschen. Er merkte es und warf mir einen säuerlichen Blick zu. „Wehe, ihr erzählt Maja ein Sterbenswörtchen“, sagte er. Das war Ehrensache. Unsere Frauen blieben immer außen vor. Wobei, wenn sie die anderen erst kennen gelernt hatte, würden wir für nichts mehr garantieren können. „Keine Sorge, das beruht auf Gegenseitigkeit. Auch Rene und ich sind liiert. Wann wollen wir zur Kurt, Abschied feiern?“ Das hätte ich besser nicht fragen sollen. Conny atmete laut ein.

„Abschied feiern, wovon? Die Getränke kosten Geld und ihr zwei habt heute noch nichts verdient!“ Autsch, das saß. Nein, Conny hatte wieder meinen wunden Punkt erwischt. Und eben konnte ich mich noch über den freien Abend freuen. Wie schnell änderte sich alles. Ich wollte mich doch nicht mehr in die Wendekurve stellen, aber, wenn’s nun gar nicht anders ging. Etwas trinken mussten wir natürlich noch bei Kurt. Es war alles Spaß, oder doch nicht? Ich knuffte Rene auffordernd in die Seite. „Hast du das gehört?“ „Ja, bin nicht taub. Dann müssen wir wohl in den sauren Apfel beißen und uns wenigstens hinstellen. Tun wir einfach so, als ob“, meinte er leise zu mir. Ich gab auf und drehte mich zu Conny. „Du hast Glück, das ich solche Angst vor deiner Peitsche hab.“ Dann ordnete ich meine Kleidung, öffnete meinen Hosenschlitz ein wenig und schlenderte zusammen mit Rene über die Straße. Ich hatte selbstverständlich noch nichts verlernt. Es machte sogar Spaß, sich den Freiern wieder zu präsentieren. Konkurrenz stand nämlich genug neben uns. Alle Boys wollten verdienen. Da war es also gar nicht so leicht, schnell jemanden zu finden, der für eine kurze Nummer bezahlte. Ich zog alle Register und baggerte die Freier in ihren Autos an. Es war allerdings ziemlich viel los, trotz des relativ kalten Wetters jetzt im November. Freier kamen merkwürdigerweise genug. Sonst hätte es sicher auch mit den anderen Jungs Ärger gegeben. Der Parkplatz war so etwas wie eine Sonderadresse für den männlichen Strich geworden. Wir standen ähnlich an der Straße wie es die Frauen taten. Ich fühlte mich deshalb auch fast wie eine Prostituierte. Wenngleich nur in der männlichen Rolle. Ein Mercedes hielt. „Bist du frei?“, fragte mich eine dunkle markante Stimme. Ich steckte den Kopf ins Wageninnere. Der Typ war um die Sechzig und sah sehr sauber aus. Ganz meine Kragenweite, ich atmete auf. „Ja, darf ich einsteigen?“ Er lächelte. „Komm, was kostet es?“ „Dreißig Euro, alles inclusive, Blasen und ficken“, sagte ich ohne nachzudenken. „Ich leg noch was drauf, wenn du etwas länger bei mir bleibst. Da gibt es einen netten Club an der Reeperbahn, mit Filmräumen und Separees.“ Ich saß im Nullkommanichts neben ihm. „Gerne, meinst du das Chagall?“ Er nickte. „Das kenne ich gut. Halt mal bitte kurz, ich sag nur meinem Freund Bescheid, dass ich erst später komme.“ Als die Scheibe herunterlief, sprach ich schnell Conny an. Er hatte gleich verstanden und nickte. Es war immer besser, ihn zu informieren. Auch Jungen konnten sich bei einem Freier nie sicher sein. Meiner fuhr die wenigen Meter zum Hinterhof der bekannten Schwulenkneipe. Ich stieg aus und folgte ihm an die Bar. Er erzählte, dass Geld für ihn nicht wichtig wäre, er hätte genug. Aber es gäbe kaum saubere Jungs, die auch noch gebildet waren. Da konnte ich natürlich helfen. „Kennst du die Tabledancebar in der Freiheit? Der Besitzer vermittelt Jungs der gehobenen Klasse. Nur Studenten, die mindestens zwei Sprachen sprechen. Ich gehöre sonst auch dazu. Wir sind nur heute mit Freunden auf dem Parkplatz. Normalerweise arbeite ich für Kurt. Deshalb hab ich dich auch so gemustert. Ich wohne nicht in Hamburg, sondern studiere jetzt in München, bin nur gelegentlich hier.“ „Hast du eine Telefonnummer? Ist das dieser besondere Escortservice, den auch viele Ausländer buchen?“ Ich bejahte und half ihm Kurts Nummer aufzunehmen. Wir tranken noch ein Bier. „Wollen wir uns ein wenig ins Kino setzen?“, fragte er. „Gern, es macht auch mehr Spaß, wenn nebenbei ein Film läuft.“ Er schob mich lächelnd in die geräumige Kabine. Einen Film fanden wir schnell. Ich setzte mich auf seinen Schoß, ließ mich befingern und streichelte ihn. Es kam zwangsläufig, was kommen musste. Noch ein zärtlicher Kuss und es war vorbei. Dann gab er mir hundert Euro. Ich hatte dieses Mal gar nicht vorher kassiert. Manchmal handhabte ich es einfach anders und ließ den Freiern die Zeit, damit sie ihre Lust ausleben konnten. Wir gingen wieder in die Bar zurück. Ich hatte jetzt wirklich keinen Bock auf den Parkplatz mehr. Es war auch schon kurz vor Mitternacht. „Wollen wir mal rübergehen? Da gibt es nun auch einen Gay Bereich. Die Bar vermischt beides: Heteros und Homos. Es sind nicht nur Frauen dort, es tanzen auch Männer. Ich habe selbst vor meiner Operation getanzt. Im Augenblick muss ich allerdings aussetzen.“ Er nickte. „Ja, prima. Das interessiert mich sehr. Ich hab nämlich schon davon gehört, aber mir fehlte die Zeit, um es mir anzusehen.“ Wie ein Vater legte er seinen Arm um mich. Kurt stand an einem der Pfeiler neben der Tanzarena und schaute dem Treiben in seiner Bar zu, als wir eintraten. Ich sprach ihn gleich auf den Service an. Wolfgang, so hieß mein Begleiter, freute sich über die Antwort sehr. Er suchte saubere gebildete Jungs, mit denen er sich auch mal einen ganzen Abend unterhalten konnte und die vielleicht zu anderen Aktivitäten, wie Theaterbesuchen, bereit waren. „Da sind Sie bei mir genau richtig. Max, hier, ist allerdings nur selten da. Doch ich habe eine Reihe ordentlicher Burschen, die ganz nach Ihrem Geschmack sind“, meinte Kurt und gab seinem neuen künftigen Kunden ein Bier aus. „Wo ist eigentlich mein Herr Sohn?“, fragte er mich beiläufig. Uijeeh. Wir sollten uns doch nicht mehr auf dem Parkplatz blicken lassen. Wie bekam ich das jetzt hin, ohne Kurt belügen zu müssen? „Der ist mit Rene, Andy und Jacob unterwegs. Ich hab sie eine Weile nicht mehr gesehen. Aber sie werden sicher noch kommen. Wir fliegen morgen wieder heim“, beeilte ich mich zu sagen. „Dann weiß ich Bescheid. Was soll ich bloß mit euch machen? Am besten, ich stelle eine lesbische Domina ein, die euch alle erstmal verdrischt. Verdient habt ihr es. Und das gilt nicht nur für Conny.“ Kurt brummte verärgert. Und seine Skepsis war leider berechtigt. Am Parkplatz tummelte sich auch ziemlich viel Volk aus der Unterwelt. Kriminelle, Drogenabhängige und Dealer prostituierten sich, oder hielten Ausschau nach Opfern, die sie ausnehmen konnten. Mir war seit der Begegnung mit den Mafiosi schon lange nicht mehr so wohl, wenn wir uns dort aufhielten. Hm. Irgendetwas musste ich jetzt tun. Am besten war es im Augenblick bestimmt, sich kurzzeitig zu verkrümeln. Ich entschuldigte mich deshalb scheinheilig zum Klobesuch. Hinterher schlich ich mich schnell zu den Mädels in den Umkleideraum und fachsimpelte etwas mit Suzanne, die gerade Pause hatte. Corinne und Mark waren inzwischen mit ihrer Nummer fertig geworden. Wir konnten die Besucher klatschen hören. Suzanne musste raus. Ich ging im Schlepptau mit. Gottseidank, die Luft war rein. Kurt musste wieder in seinem Büro sitzen. Ich wollte ihm ohne die anderen nicht noch einmal begegnen und hoffte daher, Conny würde sich endlich einfinden.

Kaum hatte ich das Stoßgebet gen Himmel geschickt, da kamen sie auch schon einer nach dem anderen ins Lokal. Ich trabte gleich auf Conny zu. „Du, dein Dad ahnt was, er ist nicht besonders amused. Ich hab gesagt, dass ich euch länger nicht gesehen hab, ich wollte nämlich nicht lügen.“ „Ist schon okay. Ich regle das. Du sollst auch nicht lügen. Ich will Pa immer die Wahrheit sagen. Ist besser für uns alle.“ Conny schickte mir seinen berühmt berüchtigten durchdringenden Blick. Aha, alles war wie immer. Ich zog den ersten fünfzig Euro Schein heraus. „Was ist, Sondergeld fürs Futter?“, fragte ich ihn frech. „Ja, aber nur für den Pferdebesitzer“, kam die Antwort und zack, war ich den Schein los. Ich wedelte vorsichtig mit dem zweiten. „Kauf dir morgen im Flieger ein paar Möhrchen“, meinte er gönnerhaft. Ich bedankte mich artig. Ach, man hatte es doch gar nicht so schlecht als Pony, dachte ich. Mir fehlte nur noch die Rasse, der ich angehören wollte. Jacob legte mir plötzlich seinen Arm um die Schultern. „Schau mal, was ich um den Hals trag.“ Ich ahnte es. „Da brauch ich eigentlich gar nicht hinsehen!“ Natürlich, ein kleines Hufeisen hing inzwischen an meinem ersten Spielkameraden, mit dem ich einst den Sandkasten teilte. Auch er war nun zum Pony und Strichjungen geworden. Ich hatte also nach und nach meine ganzen Freunde und Verwandte mit in mein verruchtes Leben hineingezogen. Aber nein, das entsprach wirklich nicht der Wahrheit. Die wollten es auch alle selbst. Es war niemand gezwungen worden, dabei mitzumachen. „Herzlichen Glückwunsch, Strichjunge. Du gehörst ab sofort zum Stall. Conny, du als stolzer Ponybesitzer musst einen ausgeben.“ Oh ja, da stimmten alle aus der Herde freudig zu. Moana arbeitete hinter der Bar. Sie blickte ihren Luden erwartungsvoll an. „Das gehört sich so. Vor allem, wenn man nur eine einzige kleine Stute hat“, gab sie mir recht. Conny grinste überheblich. „Na, gut. Für jeden eine Runde Wasser.“ Ich seufzte. „Kennst du das Buch *** Farm? Da haben sich die Tiere gegen ihren Menschen verschworen. Vielleicht sollten wir uns alle mal ein Beispiel daran nehmen.“ Das war doch typisch für Conny. Es wurde eine wunderschöne Nacht, in der wir von vergangenen Zeiten schwärmten und von unserer gemeinsamen Zukunft träumten. Der Abschied am nächsten Morgen tat weh. Aber wir mussten dem Ernst des Lebens gegenübertreten. Rene und Conny blieben zurück und hielten die Stellung in Hamburg. Rene wurde dabei von Kerrin unterstützt. Zwischen Conny und Melanie hatte es bereits gefunkt. Sie ahnte wohl auch, was er in den Geschäften seines Vaters tat. Aber es störte sie nicht im Geringsten. Die beiden passten gut zusammen. Wir anderen gehörten an die Münchner Uni. Für Jacob musste es bei diesem einmaligen Ausflug in die Homowelt bleiben. Seine Maja hatte bereits sämtliche Hosen an. Andy stand, außer mit mir, relativ allein da. Ich hoffte, er würde sich bald einen festen Freund zulegen. Denn ich durfte ja nur eine lose Beziehung eingehen, sonst bekam ich es mit Jenny zu tun und das erschien mir überhaupt nicht erstrebenswert. Die Zeit verging. Die Wochen und Monate rasten an uns vorüber. Unser erstes Semester brachte ständig Neues. Wir lernten viele Menschen kennen und die Bildung forderte ihren Beitrag. Die meisten Stunden verbrachte auch ich, wie wohl alle Studenten zu Beginn, mit der Suche nach den Vorlesungs- und Seminarräumen. Ich war mehrere Monate nicht mehr in Hamburg gewesen. Der Kontakt zwischen mir und Rene, sowie auch Conny, beschränkte sich auf gelegentliche Mails. Conny erzählte mir dann freudig von seinen Erfolgen in der Schule und Rene stöhnte über die Anforderungen der Uni. Ihm ging es natürlich nicht anders als uns. Aber er war viel mit Kerrin zusammen und auch Melanie stand ihm zur Seite. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, Conny einmal auf der Reeperbahn zu besuchen und dabei das gesamte Ausmaß der ‚Katastrophe‘ erfahren. Rene erzählte mir, wie sie eines Abends in die Bar kam und nach Conny fragte. Kurt nahm sie wohlwollend in Augenschein und tat alles, um die Beziehung zu festigen. War aber nicht nötig. Melanie erfuhr wohl so nach und nach von den Mädchen, was Rene und ich zusammen mit Conny getrieben hatten und fragte mich dann urplötzlich per Mail, wann ich wieder nach Hamburg käme. Conny brauchte seine Ponys. Ich schluckte und gab ihr zu verstehen, dass ich lediglich noch sporadisch für Kurt und dann auch nur für ausgesuchte Gäste zur Verfügung stünde. Ich war gespannt, wie weit Mellis Liebe tatsächlich gehen würde. Im Februar war eine Mail mit Fotos gekommen. Rene erzählte, dass Melli nun hinter der Bar arbeitete und auch bei ihm schon abkassierte, wenn er sich mit einem von Kurts Kunden getroffen hatte. Sie lächelte stets und steckte ihren Anteil in den Ausschnitt, um ihn dann demonstrativ vor den anderen Mädchen Conny zu geben. Sie war somit zu dessen ganz besonderer Stute geworden und schickte mir ein Bild von sich. Ganz deutlich war ein Hufeisen an ihrem Hals zu erkennen. Allerdings trugen die beiden Mädchen, Moana gehörte ja auch zu Connys Stall, jede einen kleinen Diamanten darauf. Ich besprach mich mit den anderen und wir legten sofort stillen Protest gegen die Benachteiligung ein. Conny sagte nur, wir würden unsere Edelsteine in anderer Form von ihm bekommen und was er damit meinte, wusste jeder. Rene und die Hamburger Freunde fehlten mir manchmal sehr.

Umso glücklicher war ich über den zweiten OP-Termin in Berlin, den wir nach gelungenem erstem Semester bekamen. Während der kurzen Semesterferien sollten Rene und ich unsere Erektionshilfe erhalten. Am 20. März trafen wir uns bei Doktor Dupret in der Klinik. Wir waren beide mit dem Zug angereist und fielen uns schon auf dem Bahnhof um den Hals. Schnell wurden einige SMS an Freunde und Verwandte geschrieben und obendrein noch ein Selfi verschickt. Die Aufnahme und die Voruntersuchungen verliefen reibungslos. Wir sollten beide am 22. nach einander operiert werden. Der Eingriff dauerte nicht lange und war recht unkompliziert, erzählte uns der Doc beim Vorgespräch. Am Abend lagen wir denn auch schon wieder auf unserem Zimmer und schauten uns nach dem Aufwachen müde aber sehr glücklich an. Die Liegezeit sollte nur eine Woche einnehmen. Am anderen Morgen kam Doktor Melcher und wechselte die Verbände. Ich konnte den ersten Blick auf meinen Kleinen werfen und freute mich wie ein Kleinkind zu Weihnachten. „Wer hat die dicksten und größten Eier, Doc?“, fragte Rene. Herr Melcher grinste und antwortete mit Sarkasmus und Ironie wie beim letzten Mal. „Ich fürchte, keiner von euch beiden. Die fallen bald in sich zusammen und sind dann kaum noch sichtbar. Der Chef hatte wieder die falsche Brille auf. Er wird auch alt. Seine Hände zitterten merklich beim Einbau der Pumpe. Ich würde mich also nicht allzu sehr darauf verlassen, dass sie funktioniert.“ Rene atmete aus. „Haha!“, entfuhr es mir. Zärtlich und neugierig nahm ich meinen Schwanz in die Hand. Die Silikonhoden waren in Tat nicht so groß, aber sie sahen sehr echt aus, und darauf kam es mir an. „Nicht die Pumpe betätigen, das üben wir erst in ein paar Tagen. Es muss alles heilen. Aber dann zeigt euch der Chef, wie’s geht und ihr müsst regelmäßig eure Ständer üben.“ Als er Rene auspackte, kam der Boss. Doktor Dupret hatte wohl gerade auf dem Flur einen seiner berüchtigten Witze losgelassen, denn sein ganzer Ärzte- und Schwesternanhang lachte, als sie eintraten. „Guten Morgen, meine Herren. Operation geglückt. Die beiden Patienten sind leider tot. Wie sieht‘s aus, Herr Kollege?“, fragte er und besah sich nicht ohne Stolz sein Werk. „Aha, die Rammelstangen sind erfolgreich eingesetzt. Meine Herren, in ein paar Tagen werden Sie beginnen, sich wie Männer zu benehmen und ich erwarte regelmäßige Übungen. Natürlich auch mit den Damen, nach Ihrer Entlassung.“ Jetzt war meine Zeit gekommen. „Ich dachte, wir bekämen diese besondere Einweisung noch hier und dürften uns dazu einige ihrer hübschen Krankenschwestern zum Üben aussuchen“, schmunzelte ich. „Das ist leider im Preis nicht enthalten. Das zahlen die Krankenkassen nicht mehr.“ Doktor Dupret lachte selbst und zwinkerte uns und den anderen Ärzten zu. Schwester Tanja drehte sich zu ihrer Kollegin um. „Ich denke, der Patient braucht heute noch einen Einlauf. Was meinst du Heike?“ Die Angesprochene nickte zustimmend. „Ja, und wir sollten den Dreiliterbeutel nehmen, damit er etwas davon hat.“ Ein paar Minuten später lagen wir wieder allein im Zimmer. Wir konnten es kaum erwarten, unsere Pumpen zu benutzen. Die nächsten Tage wurden zur Geduldsprobe. Beatrix bat um ein Foto, wenn wir das erste Mal etwas zeigen konnten. Ich lehnte ab. Das Ergebnis würde sicher gleich auf YouTube landen. Nein, so leicht wollte ich es meiner versauten Cousine nicht mehr machen. Und auch für Jenny sollte es eine Überraschung bleiben. Rene dachte dasselbe. Der große Moment kam und wir saßen stolz im Bett. „Wie bekommen wir sie jetzt wieder runter, Doc?“, fragte ich Herrn Dupret. „Wieso runter? Der muss noch weiter rauf. Und dann bleibt er so stehen. Das wolltest du doch, oder hab ich das falsch verstanden?“ Schwester Tanja kicherte. „Runter geht nur mit Einlauf.“ Na, das konnte ja heiter werden. Nun stand die Kiste endlich, aber ich fand den Knopf zum Ausschalten nicht. Womit hatte ich das nur verdient? Der Spieltrieb nahm uns völlig gefangen. Irgendwann bekamen wir natürlich den Bogen raus. Jetzt war also unserem Leben als vollständige Männer keine Grenze mehr gesetzt. Nun ja, fast keine. Aber das störte uns in diesem bedeutungsvollen Moment nicht. Ein paar Tage später. Die Entlassung stand an. Auf dem Bahnhof umarmten wir uns und waren kaum in der Lage voneinander zu lassen. Rene und ich, zwei transsexuelle Jungen, die, seit sie denken konnten, auf diesen einen Augenblick hin gefiebert hatten, deren Träume tagtäglich nur darum kreisten, wann sie endlich richtig und heil sein würden. Die letzten Jahre waren wir unzertrennlich gewesen, ja, wie Brüder, fiel mir ein. Wir küssten uns mit Tränen des Glücks in den Augen. Freude und Schmerz lagen so nah beieinander. Noch hatten wir Termine bei Doktor Reimers. Auf diese Weise würden wir uns zwangsläufig in Hamburg treffen dürfen. Aber etwas war jetzt anders. Wir wurden älter und mussten uns von unserem Kinder- und Jugendleben endgültig verabschieden. Es war alles in allem trotzdem eine wunderschöne Zeit gewesen, die ich nie missen wollte. Ich ließ die Bilder in meinem Kopf Revue passieren. So gesehen besaßen wir eine einzigartige Lebenserfahrung, die uns von biologisch geborenen Jungen trennte. Ich spürte allerdings, wie mein Geist sich der Entwicklung zum Erwachsenen ausgesetzt sah und es war mir nicht mehr möglich, dies aufzuhalten. Unser Leben würde sich ändern. Wir waren keine Kids mehr und auch für Connys Freunde kamen wir nicht mehr in Betracht. Nur die bisexuelle Ausrichtung sollte uns weiter begleiten. Aber Geld würden wir damit bald nicht mehr verdienen können. Die Normalität hatte uns eingeholt. Ein letzter Blick und ein letzter Kuss. Dann fuhr Renes Zug als erster ab. Eine halbe Stunde später saß ich im ICE nach München. In einer Woche begann wieder die Uni. Das zweite Semester! Von insgesamt sechs. Danach würde ich noch drei Jahre Forstwirtschaft hinten dran hängen und auch darin meinen Bachelor machen. Mehr brauchte ich als Erbe der Wildensteiner Grafen nicht. Mein Vater hatte mein Geschlecht erfolgreich im Adelsregister ändern lassen können. Ich stand nun offiziell als sein Nachfolger fest, wie es unser Hausgesetz verlangte.

In der Zwischenzeit würde Jenny ebenfalls so weit sein. Wenn alles gut lief, könnten wir schon in sechs Jahren heiraten. Meine Güte, ich hatte noch nie so detailliert und vernünftig meine Zukunft geplant. Das war real, kein Traum. Ein leichtes Zittern überkam mich und dann war es wieder vorbei. Landschaften, Bahnhöfe, Städte zogen in einem Tempo an mir vorüber, das mir fast schwindelig wurde. Das Leben kam mir auf einmal so schnell vor. Bis vor einigen Tagen, war es noch behäbig und langsam gewesen. Das große Ziel lag so weit entfernt, fast unerreichbar und ich dachte immer wieder daran, wie lange es noch dauerte, bis ich endlich erwachsen sein durfte. Damit verband ich stets mein Geschlecht und die Funktionalität der dazu notwendigen männlichen Organe. Über Nacht war es nun passiert. Das Ende einer langen Reise war gekommen. Am Abend fuhr der Zug in den Münchner Hauptbahnhof ein. Jenny meldete sich kurz vor der Ankunft am Telefon. „Du hast es geschafft, Max. In ein paar Jahren sind wir verheiratet und ich werde, wenn Gott will, unser erstes Kind austragen dürfen. Dein Kind, mit Hubertus’ Samen befruchtet. Auch meines wird dann eines Tages von ihm sein und wir können zusammen das Erbe der Grafen von Wildenstein für die Zukunft bewahren. Ich liebe dich von ganzem Herzen.“ „Ich liebe dich auch, Jenny, und ich danke Gott dafür, dass er mir eine so wunderbare Frau geschenkt hat. Der Zug hält, ich muss aussteigen. Ich ruf dich nachher noch einmal an.“ Kurz fiel mir die Geschichte vom Storch ein. Nun, Petrus hatte den Fehler bei mir wieder ausgebügelt. Ich musste unwillkürlich in mich hineinschmunzeln. Meine Reise war hier wirklich vorbei und ich endlich am Ziel. Die körperliche Schwäche, mit der ich noch ausstieg, würde sich in ein paar Wochen in Luft auflösen. Als ich draußen vor dem Bahnhof stand und dem Taxifahrer die Adresse gab, wusste ich allerdings sofort, dass meine neue Reise jetzt gerade erst begonnen hatte: Das Leben eines Mannes. Und sie würde nur noch irgendwann mit meinem Tod enden.

 

 

Geschrieben

Natürlich, es ist nur noch nicht lektoriert und ich wollte vorab ein paar Meinungen hören.

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