Meerweh

Januar 18

« Weißt du noch damals? Der Weg nach Südwesten? Das Geräusch rollender Reifen auf dem auskühlenden Asphalt? Der Duft der Fremde, der geheime Versprechen durch den kleinen Fensterspalt schiebt? »

Mit einem Finger fahre ich die Kontour deiner Schulter nach, versenke meine Nase in deinem leise nach Frühling duftendem Haar.

« Weißt du noch wo wir ursprünglich hinwollten? Eigentlich nur kurz in die Stadt oder? Ich meine wir hatten ja nichts dabei, außer der Decke im Kofferraum. Und geplant war da ja nichts. Dein „Bitte fahr doch einfach weiter, bring mich ans Meer“ klingt noch heute in meinen Ohren. »

Ich spüre dein Lächeln an meiner Brust, das sanfte Beben deines stillen Lachens und bin sicher du sitzt in Gedanken grade wie damals neben mir auf dem Beifahrersitz, deine Haare tanzen im Wind, deine Haut feucht und klebrig von der anhaltend drückenden Hitze.

« Für mich waren es die plätschernden Gespräche, die erst nach Stunden langsam versiegten und zu Gedanken in unseren Köpfen wurden, die die Stunden auf gefühlte Minuten haben zusammenschrumpfen lassen. Deine Hand, die leise streichelnd in der letzten Stunde deine Traumwelt auf meinem Bein nachmalte, hat mich leise lachen lassen und so auch den letzten Teil des Weges wie im Flug vergehen lassen. »

Ich ziehe dich näher, ganz eng an mich heran. Koste mit der Zungenspitze das Salz auf deiner Haut. Lasse die Hände über dich wandern.

« Es war gar nicht so leicht, die Tür leise zu schließen. Du solltest ja weiter schlafen, so friedlich wie du geträumt hast, eingehüllt in das dünne Tuch. Meine Schuhe habe ich am Wagen stehen lassen. Den feinen Sand an den Zehen, bin ich die knarzende Treppe hinunter, den Blick an die wogende See geheftet, den Geschmack vom Meerwind auf der Zunge. Und weißt du es war wie früher als Kind, den einen Fuß im tiefen Sand gab es kein Halten mehr. Erst habe ich noch versucht langsam zu gehen. Aber für wen? So bin ich losgestürmt und habe nur kurz inne halten können um meine Kleider auf einen kleinen steinbeschwerten Haufen zu legen, dann war ich auch schon im Meer. »

Ich halte inne, verloren in dem Gefühl des salzigen Wasser auf der Haut, die schier unendliche Weite vor Augen, schwerelos treibend, eine aufgelöste Träne im Atlantik. Mich überrollt die beißende Sehnsucht und macht mir das Herz schwer. Du Küsst mich sacht. „Nicht aufhören, erzähl noch ein bisschen weiter.“ Es fällt mir schwer. Meine Stimme ist deutlich dünner als ich fortfahre.

« Als ich irgendwann aus den Wellen aufgetaucht bin, den Blick im tiefen Blau verfangen hast du dich von hinten an mich gedrückt, noch ganz warm vom Schlaf und der Fahrt. „Komm ich hab Frühstück geholt.“ hast du leise gesagt. Ich habe mich zu dir gedreht und dich lachend mit mir in die Wellen gezogen, deine Wärme genießend. Als wir dann völlig durchgefrohren zur Decke, die du ausgebreitet hattest sind, war der Kaffee kalt, ein Croissant den Möwen geopfert, aber mein Herz so leicht als hinge es an einem Heliumballon. »

Ich sehe dein Lachen vor den glitzernden Wellen, wie du mit einem Stock versuchst die aufmüpfigen Jungmöwen zu vertreiben. Ich kann die See riechen und den Sand an meinen Gliedern fühlen. Fast ist es, mit geschlossenen Augen, als sei ich dort, auf der Decke vom Wind umweht, das Rauschen der Wellen tief in den Ohren. So bleiben wir lange liegen, jetzt still in unseren eigenen Welten, bis du seufzt: „Wenn es denn geht müssen wir da nochmal hin, bis dahin mach ich erstmal Kaffee.“ Du streichst meine Wange, drückst meine Hand. Dein Lächeln ist traurig als du aufstehst und mich zurücklässt mit meinen Gedanken ans Meer.