Entführung aus dem Alltag - Teil XII

Januar 25

Es macht mich wahnsinnig, so abgeschottet von allem um mich herum zu sein. Meine Hände umklammern die Ihren und außer diesen Berührungen ist bloß der Kontakt meiner nackten Füße auf dem Untergrund meine Verbindung zur Umgebung.

Moment... was ich zudem ganz deutlich spüre sind die Nieten, die mir an meinen Gelenken und meinem Hals einen Rahmen geben. Sie rahmen mich ein und schenken mir ein Bild meiner Selbst im Außen auch ohne die genommenen Sinne in Anspruch nehmen zu müssen. Ist das Absicht? Oder einfach mein Glück? Die Wahrnehmung der inzwischen nicht mehr kalten Metallhalbkugeln, die Druck auf meine Haut ausüben, sorgen dafür, dass ich meine Umrisse für mich selbst skizzieren kann. "Das wird mein Halteseil!" beschließe ich selbstbewusster und klarer als ich mich fühle und ahne in diesem Augenblick noch nicht einmal ansatzweise, wie sehr ich diesen selbstgewählten, ja erfundenen Anker noch brauchen werde...

Wir werden langsamer. Ein Lufthauch, der angenehm warm die Haut meiner Körpervorderseite streift, lässt mich vermuten, dass eine Tür vor uns geöffnet wurde. Wärme. Feuer. Kamin. Ich schlucke trocken.

Beide Frauen drücken leicht zeitversetzt meine Hände und lassen mich dann los. NEIN! Ich recke meine Finger in die Richtungen, in denen ich die Ihren vermute, doch greife ich ins Leere. Stattdessen schieben mich Fingerspitzen zwischen meinen Schulterblättern bestimmt ein paar weitere Schritte nach vorne. Dabei berühren meine Fußsohlen etwas wie eine Sockelleiste. Danach kurzflorigen Teppichboden. Wir sind angekommen. Die Fingerspitzen verlassen meinen Körper wie ein Schmetterling, der sich von einer Blüte erhebt und ich weiß, ich bin allein. Nein. Nicht alleine. Nur ohne SIE.

Diesmal ist es ein kühler Windhauch, der meinen Rücken streift. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, die Tür wurde geschlossen.

Mein Atem verselbstständigt sich, mein Brustkorb hebt und senkt sich schneller und doch habe ich das Gefühl, zu wenig Sauerstoff zu bekommen.

Nicht zu wissen, was vor mir ist. Wer. Wo genau ich bin. Was ich tun soll. Macht mich fertig. Ich spüre, wie sich ein Schweißtropfen in meiner Achselhöhle bildet, an meiner Flanke herabläuft und vom Leder des offenherzigen Bustiers aufgefangen wird.

Ich sauge Luft durch meine Nasenlöcher und versuche mich darauf zu konzentrieren, während ich alles tue, um unbeweglich dazustehen. Ich rieche verbrennendes Holz. Ein Geruch, den ich liebe. Wird sich das in den nächsten Minuten / Stunden ändern? Ich rieche Whiskey. Rauchig, beides. Und nun mischt sich etwas anderes dazu. Ein männlicher Geruch. Frisch geduscht, würde ich sagen. Zeit hatten sie ja... Oh Mist. Das heißt, es ist jemand vor mir. Ich habe NICHTS mitbekommen und nochmal: es macht mich fertig, keine Einschätzung des mich Umgebenden zur Verfügung zu haben.

Wieder ein Lufthauch. Eine Bewegung zwischen meinem Kinn und der Vertiefung an meinem Hals zwischen meinen Schlüsselbeinen - die Position der Nieten des Halsbandes verändert sich mininmal und im nächsten Moment zieht es an Hals und Nacken. Eine Leine, schlussfolgere ich, ohne verifizieren zu können, ob ich mit dem Gedanken richtig liege. Ich folge dem Zug nach vorne, schätzungsweise weiter in den Raum hinein. Der Untergrund verändert sich, er wird weicher. Vermutlich ein Teppich, der auf der Auslegware liegt. Wieder etwas, das nicht bestätigt eine Vermutung bleibt. So langsam ist das Gefühl, Wahnsinnig zu werden fast übermächtig. Was jetzt passiert, passiert schnell und der Wahnsinn zieht sich noch einmal zurück...

Mein Kopf wird am Halsband unnnachgiebig nach unten gezogen, bis ich mit der Wange auf dem Teppich aufkomme. Ich habe Mühe, so schnell auf die Knie zu sinken. Meine Unterschenkel und Handgelenke werden gegriffen und es wird mehr als klar, wie sehr ich in der Unterzahl bin. Ich spüre die Sohle eines Schuhs auf meinem Gesicht, die mich fixiert, während meine Beine bis auf's Äußerste voneinander entfernt und meine Arme ebenfalls seitlich auseinandergezogen werden. Der Druck der Nieten an den Gelenken meiner vier Extremitäten erhöht sich und wieder kann ich nur vermuten, dass es ein Bodenpranger ist, in dem ich gerade grob fixiert werde. Mein Rücken ist aufgrund des geringen Abstandes zwischen Schultern und Knien maximal durchgebogen, meine blanken Nippel schweben über dem Teppichboden, mein Arsch ist so hoch in die Luft gereckt wie nur möglich und ich kann nicht mehr nur nicht hören oder sehen, auch jeder Bewegungsspielraum wurde mir geraubt. Jede Sehne, jeder Muskel ist angespannt und ich werde mir dessen im selben Moment bewusst, wie ich beschließe, dass diese Anspannung einfach reine Energieverschwendung ist. Ich bin wo ich bin und wie ich bin, ohne dass ich auch nur das Geringste daran ändern könnte. Ich befehle meinem Körper zu entspannen und so viel Energie wie möglich zu sparen. Es gelingt mir und ich ergebe mich buchstäblich in mein Schicksal.

Und dann beginnt es.

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