Und Wieder Fast

Juli 5

„Sag es.“ „Nein.“ „Sag es.“ „Ich trau mich nicht.“ „Dann wirst du’s spüren.“ Seine Stimme klang trocken, hart, und sie spürte sofort dieses Ziehen tief in sich, das sie immer bekam, wenn er so sprach. Nicht gespielt, nicht zärtlich, sondern wie einer, der genau weiß, was sie braucht, bevor sie selbst den Gedanken ganz greifen kann. Sie lag auf dem Sofa, nackt unter der Decke, in ihrer rechten Hand das Telefon, in der linken das vibrierende Spielzeug, das er ihr eine Woche vorher geschickt hatte, in neutraler Verpackung, ohne Absender, aber mit einem kleinen Zettel: „Du wirst wissen, wann.“ Heute war wann. Aber was, wenn sie sich trafen und er gar nicht echt war? Was, wenn sie plötzlich mit Blicken arbeiten mussten statt mit Worten? Was, wenn es dann vorbei wäre? „Ich will, dass du jetzt einen Finger tief in dich schiebst und mir erzählst, was du am meisten vermisst. Und wehe, du weichst aus.“ Sie gehorchte. Natürlich. Denn das war das Spiel. Das war ihre Welt, Stimme gegen Scham, Lust gegen Kontrolle. Und auch, wenn sie ihn nie gesehen hatte, sie wusste, wie er klang, wenn er kam, wie seine Atmung sich veränderte, wenn sie das tat, was er verlangte, und sie wusste, wie es war, zu ihm zu gehören, zumindest im Kopf. Sie sprachen jeden Abend. Sie nannten es nicht Liebe. Sie nannten es uns. Und sie wollten sich treffen, immer wieder, sie planten es, verschoben es, sie wussten genau, was sie tun würden, wenn sie sich gegenüberstünden. Er hatte es ihr beschrieben, immer und immer wieder, was sie anziehen sollte, wie sie sich stellen würde, welche Klammer, welches Wort, welcher Blick. Und doch passierte es nicht. Nie. „Ich glaube, wir reden zu viel“, sagte sie leise, irgendwann, mitten in einem Gespräch, das noch feucht war von ihren Geständnissen. Er schwieg. Das war das erste Mal, dass er schwieg. Danach wurde es leiser zwischen ihnen, weniger Fragen, weniger Befehl, mehr Alltag, ein paar Nachrichten blieben unbeantwortet, ein Telefonat fiel aus, dann zwei. Aber manchmal, spät nachts, wenn sie das Handy in der Hand hielt und der Bildschirm schwarz blieb, dachte sie, vielleicht tippt er gerade, vielleicht wartet er auch, vielleicht ist noch nicht alles verloren. Oder vielleicht war es genau das. Fast.