Der Roman „Die Geschichte der O“ berichtet von der Unterwerfung einer Frau, der Pariser Modefotografin Odile. Die Geschichte beginnt, als O's Geliebter, René, sie ins Schloss in Roissy bringt, wo sie ausgebildet wird, um den Mitgliedern eines Elite-Clubs sexuell zu dienen.

 

Nachdem O mit diesem Dienst ihre Liebe und Verbundenheit zu René bewiesen hat, übergibt René O an seinen älteren Stiefbruder Sir Stephen, der ein strengerer Meister ist. O soll lernen, jemandem zu dienen, den sie nicht liebt, und der sie nicht liebt. Im Laufe dieses Trainings verliebt sich O jedoch in Sir Stephen und glaubt, dass er auch in sie verliebt ist. Sir Stephen schickt O nach Samois, wo ihre Ausbildung zur Sklavin vollendet werden soll. Dort stimmt sie zu, dauerhafte Markierungen von Sir Stephen zu erhalten, in Form eines Brandings und eines schweren Schamlippenpiercings. Im Finale wird O als Sklavin präsentiert. Nackt bis auf eine Maske wird sie an einer Leine, die an ihrem Piercing befestigt ist, einer großen Gruppe von männlichen Gästen vorgeführt, die sie foltern und sexuell benutzen.

 

Die Autorin der „Die Geschichte der O“

Der Roman „Die Geschichte der O“ wurde unter dem Pseudonym Pauline Réage publiziert. Wegen der trockenen, nüchternen Sprache spekulierte die damalige Presse, dass hinter dem Pseudonym wahrscheinlich ein männlicher Autor steckte. Jahre später outete sich die bekannte französische Journalistin und Intellektuelle Dominique Aury als Autorin. Der Name Dominique Aury ist allerdings nur ein weiteres Pseudonym der Literaturkritikerin und Übersetzerin Anne Cécile Desclos. 

 


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Die Geschichte der „Die Geschichte der O“

Entscheidend für die Entstehung des Romans war eine Art Wette, zwischen der Autorin Aury und ihrem Geliebten Jean Paulhan, ein renommierter Verleger und Intellektueller. Paulhan, der ein Verehrer des Marquis de Sade und seines Werkes war, weckte Aurys Ehrgeiz, als er behauptete, es sei völlig ausgeschlossen, dass eine Frau einen guten erotischen Roman schreibe. 

Dominique, die Paulhan vergötterte, schrieb wie im Fiebertraum eine lose Sammlung von Texten in einfache Schulhefte und übergab sie ihrem Liebhaber. Jahrzehnte später beschrieb sie die Entstehung des Romans „Die Geschichte der O“ in ihren eigenen Worten so: 

Das Mädchen schrieb auf der Seite liegend, mit den Füßen unter einer Decke, einem weichen schwarzen Bleistift in der rechten Hand. Das Mädchen schrieb auf die Art und Weise, wie du im Dunkeln sprichst, wenn du die Worte der Liebe zu lange zurückgehalten hast und sie endlich hervorsprudeln. Zum ersten Mal in ihrem Leben schrieb sie, ohne zu zögern, ohne anzuhalten, umzuschreiben oder zu streichen. Sie schrieb so, wie man atmet und träumt. Sie schrieb die ganze Nacht durch und legte den Bleistift erst zur Seite, als sie Straßenkehrer in der Morgendämmerung hörte.

Dominique Aury hatte nie vor, ihre lose Sammlung von Notizheften zu veröffentlichen, es waren doch „nur“ leidenschaftliche Liebesbriefe. Doch Paulhan war ein guter Verlierer und er war der Meinung, die Geschichte sei viel zu gut, um sie nicht veröffentlichen. Auf sein Zureden (oder seinen Befehl?) hin, ergänzte Dominique Aury das Werk, verknüpfte die losen Episoden zu einem Roman. Paulhan schrieb ein wohlwollendes Vorwort und veröffentlichte „Die Geschichte der O“ mit der Hilfe eines renommierten französischen Verlegers. 

 

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Die Geschichte der O hatte großen Einfluss auf die BDSM Szene. Viel zitiert und oft kopiert ist sie ein Standardwerk.

 

Die Kontroverse um „Die Geschichte der O“

Aury, die auch als Übersetzerin in Paulhans Verlag arbeitet, übersetzte „Die Geschichte der O“ selbst ins Englische, sodass der Roman zeitgleich in Französisch und Englisch erschien. Was folgte, war ein unglaublicher Skandal und das Buch wurde zum Bestseller. Literaturkritiker und -kenner überschlugen sich. Während manche wie Susan Sonntag „Die Geschichte der O“ als Vorreiter eines eigenen Genres für anspruchsvolle erotische Literatur ansahen, schrieben andere vernichtende Kritiken. Das Buch sei obszön, sexistisch, propagiere die totale Unterwerfung der Frau unter den Mann und reduziere Frauen zu reinen Sexualobjekten. Die französische Justiz strebte eine Anklage wegen „Obszönität“ an, die jedoch von den Gerichten niedergeschlagen wurde. In Frankreich und vielen anderen Ländern kam das Werk auf den Index, fand jedoch unter den Ladentischen reißenden Absatz. Der Streit um das Buch flammte neu auf, als 1975 der Film „Die Geschichte der O“ des Regisseurs Just Jaeckin mit Corinne Cléry und Udo Kier in die Kinos kam. Erneut gab es Proteste und sogar rituelle Verbrennungen im Namen des Feminismus. Die öffentliche Rezeption änderte sich erst viel später. Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurde „Die Geschichte der O“ offiziell anerkannt und in den Katalog wertvoller französischer Kulturgüter aufgenommen.

 

Die BDSM-Community und „Die Geschichte der O“

Der Einfluss des Romans auf die BDSM-Community kann nicht unterschätzt werden, war es doch das erste Mal, dass Praktiken und Rituale des BDSM einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden. In BDSM-Zirkeln hat die Geschichte der O deshalb bis heute den Status eines Standardwerks, das immer noch als Vorlage dient und oft kopiert wird. 

 

Die Geschichte der O – das Paradox

Die Geschichte der O löste Kontroversen aus und inspirierte zahllose Nachfolger. Doch das Paradox von „Die Geschichte der O“ liegt im Verhältnis des Werks zu seiner Autorin. Sie ist eine Intellektuelle, eine Frau, die wenig Make-up und keinen Schmuck trägt, mit stiller Eleganz gekleidet ist und mit ihren Eltern und ihrem Sohn in einer kleinen Wohnung ein biederes Leben führt. Doch unter diesem unscheinbaren Äußeren wüteten starke Leidenschaften. Auch fürchtete die 50-jährige Aury ihr Liebhaber Paulhan könne sie wegen einer Jüngeren verlassen. Deshalb schreibt sie in „Die Geschichte der O“ eine Protagonistin, die sich willentlich unterwirft, sich erniedrigende Sexualpraktiken und extremer Folter hingibt. Somit ist die physische Unterwerfung in „Die Geschichte der O“ ein Liebesappell und textgewordene intellektuelle Unterwerfung der Autorin Aury unter ihren Liebhaber Paulhan.

 

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Tomasz Bordemé ist Autor und Blogger, der über BDSM und Erotik schreibt. Außerdem versorgt er unsere kinky Community auf Fetisch.de mit News und Einsichten aus der Szene.

 

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16 Kommentare

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80****
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Ti****

Geschrieben

Am 13.4.2022 at 08:09, schrieb Seanthiar:

Geschichte der O und auch die Fortsetzung Rückkehr nach Roissy mag ich, vor allem wenn man sich vor Augen führt das der Roman von 1954 ist. Die meisten kennen ja nur den Film von 1975 wo die wilden 60er ja schon mehr sexuelle Offenheit propagiert haben.
Was ich allerdings nicht verstehe warum die Story des psychisch kranken Stalkers Christian Grey mit 50 SoG auf die gleiche Ebene gehoben wird. Das war alles mögliche - nur nicht BDSM.

Und bei der Rückkehr nach Roissy ist selbiges nur ein Luxusbordell und Sir Stephen ein Krimineller.

Ich mag die Geschichte der O, ich bin mit ihr groß geworden. Aber was man an SoG kritisieren könnte, ließe sich genauso gut über die Geschichte der O sagen. 

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Domedan

Geschrieben

Mein *Einstieg* in die Welt des Bdsm, bevor ich den Begriff kannte, oft kopiert und nie erreicht, das beste Stück an erotischer Literatur über dies Thema. Die Verfilmungen mal beiseite gelassen, auch die haben das Original nie erreicht.
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Geschrieben

Ich denke beide Fälle sind richtig. Kunst wird durch unsere Lebensrealitäten geformt und sie prägt die zukünftigen Erlebensräume. Dass es das hierarchische Spiel um Macht und Kontrolle, ob im sexuellen oder alltäglichen, das beiden Seiten Erfüllung gibt, schon seit Jahrtausenden gibt, ist zahlreich historisch nahegelegt. Am populärsten sind da wahrscheinlich diejenigen Verhältnisse aus dem alten Rom.
Inwiefern dieses ungleiche Verhältnis zwischen zwei oder mehreren Menschen ausgelebt wird, hat sich über die Jahre sicherlich durch das entstandene Wissen und Theorien über den Menschen und Technologie entwickelt. „Die Geschichte der O“ hat meinem Empfinden nach also einen wichtigen Beitrag geleistet, aber, dass es als Ursprung dient, ist unwahrscheinlich.

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Se****

Geschrieben

Geschichte der O und auch die Fortsetzung Rückkehr nach Roissy mag ich, vor allem wenn man sich vor Augen führt das der Roman von 1954 ist. Die meisten kennen ja nur den Film von 1975 wo die wilden 60er ja schon mehr sexuelle Offenheit propagiert haben.
Was ich allerdings nicht verstehe warum die Story des psychisch kranken Stalkers Christian Grey mit 50 SoG auf die gleiche Ebene gehoben wird. Das war alles mögliche - nur nicht BDSM.
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F-****

Geschrieben

Ein guter Roman, bei dem ich mich immer gefragt habe, ob er wirklich Einsichten in BDSM bietet, oder ob BDSM sich nicht teils an ihm ausrichtet. Viele Abläufe und Zusammenhänge werden im Roman thematisiert, die seither als Quasi-Standard gehandelt werden - ob sie das auch vorher schon waren, wage ich zu bezweifeln.

Es ist ein wenig wie bei 50 Shades, wobei dieses Werk ja erst den "Durchbruch" in der Wahrnehmung brachte. Plötzlich wurde BDSM salonfähig, mit dem kleinen, meiner Meinung nach negativen Nebeneffekt, dass zeitgleich die Abverkaufszahlen von Kabelbindern in Baumärkten stiegen.

Es bleibt die Frage: Richtet sich die Literatur nach der Realität oder ist das Gegenteil der Fall?

So oder so ist alles positiv, solange es dafür sorgt, dass BDSM nicht mehr in der Schmuddelecke feststeckt. Und wenn man dann verstanden hat, dass es in allen Werken (und halt auch in der Realität) letztlich nicht darum geht, lustige Namen füreinander zu finden und Kabelbinder zweckentfremdet einzusetzen, sondern sich aufeinander einzulassen, machen auch die Bücher Spaß.

Wer übrigens die Filmversionen mag, sollte sich auch mal "Secretary" mit James Spader anschauen. Sehr zu empfehlen...

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Ma****

Geschrieben

Das war und ist ein guter Roman und für viele BDSMer ein wunderbarer Roman, um ihre Fantasien zu entfalten, ganz gleichgültig welche Position sie annehmen. Trotzdem ist BDSM erst mit 50 shades of grey salonfähig geworden, obwohl ich der Meinung bin, dass die Geschichte der O viel mehr Ähnlichkeiten mit BDSM hat als die neuen Romane 50 shades... Venus im Pelz und die Geschichte der O sind schöne Geschichten, um sich hinzugeben und der Fantasie freien Lauf zu lassen
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Geschrieben

Ich habe recht früh in meiner geistigen Entwicklung und Selbstfindung meines wahren Selbst erst den Film entdeckt.
Ich glaube er lief damals noch regulär bei Arte im 📺.
Es ist schon Jahrzente her, daher nagelt mich nicht fest darauf.
Danach war ich neugierig, da ich im Vor-Abspann gelesen hatte das der Film 📽 auf einem Roman 📖 begründet ist.
Ich habe dann das komplette Werk mit der eher unbekannteren Fortsetzung "Zurück nach Roise" verschlungen.
Sicher es ist überzesiliert mit bildgewaltigen Szenen aber es zeigt doch wie vielfältig dieser Bereich ist.
Mir selbst gefiel die offene Zurschaustellung der devoten Frauen als reines dienendes Lustobjekt.
Wohl aber habe ich nie wieder danach vergleichbare reale Männer gesehen, welche diese Art von Umgangsformen gepflegt haben.
Bisher habe ich nie wieder einen ähnlichen klassischen Gentleman der alten Schule getroffen. Ich war in den letzten sagen wir geschätzt 30 Jahren in vielen Clubs, speziellen Veranstaltungen als Nacht der O. Sowie vieler ähnlichen und sogar oft auf einem echtem Schloss und Gutshaus im englischem Herrenhaus Stil.
Nur entdeckt habe ich nur Männer in schwarzen Anzug die sich nicht verhalten haben wie echte Gentleman welche es genießen mit willigen devoten Frauen zu spielen.
Die Frau wurde nie mit Anstand und Respekt behandelt wie es einer echten Serva zukommt.
Nur das übliche... vor den Füssen knien und klassische Haltung aber nichts weiter.
Daher heutzutage unglaublich aber es existiert ein bestimmtes Bild im Kopf bei den meisten Frauen in Berlin.
Dem komme ich nicht Ansatzweise nahe, so kann es nicht sein das ich mehr bin als viele erwarten!

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HHGentleman

Geschrieben

Uups, falscher Faden. Sorry.

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HHGentleman

Geschrieben

„Datenschlag“ bietet sehr gute und umfassende Infos.

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Geschrieben

Ja, es gibt auch Miniaturhalsbänder als Fingerring für Frauen, quasi als Symbol, daß die Frau einen Herrn hat.

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Na****

Geschrieben

Für die es lesen möchten, könnte folgender passen. Habe es einfach gegoogelt unter: „die Geschichte der o Text“ https://www.yumpu.com/de/document/read/3565667/pauline-reage-die-geschichte-der-o-i-die-liebenden-innomedia
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Geschrieben

Kann mir einer einen Tipp geben wo ich das Original in TB-Version und auf Deutsch bekomme! 

Stelle mich bei der Suche gerade sehr doof an. :/

 

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du****

Geschrieben

ja, die Geschichte der O, ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube schon das diese Geschichte an meinem Einsieg in die Faszinierende Welt des BDSM nicht ganz unschuldig ist.

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Geschrieben

Oooooh... die "O", ich liebe die Geschichte total.

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si****

Geschrieben

Schön und ein Klassiker nur in der Originalfassung und nicht in der "Alle-sind-happy-und-alles-ist-gut" Variante...
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Geschrieben

Immer noch der unerreichte Klassiker als Buch,das beste Stück BDSM-Literatur das ich kenne.

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