Zunächst einmal eine Einordnung. Der Uhren-Fetisch gehört, wie der User richtig erkannt hat, ganz klar in die Kategorie der Objekt-Fetische.
Früher dachte man, Objekt-Fetische seien eine psychische Störung. Objektophilie – die Liebe zu Gegenständen wurde als eine Störung der Sexualpräferenz angesehen. Man nahm an, dass Personen, die Gegenstände statt Menschen lieben, enttäuscht worden seien, Missbrauchserfahrungen gemacht haben oder Angst vor zwischenmenschlicher Nähe haben. Dann erkannte man, dass dies nicht die Regel ist. Vielmehr fühlen sich Objektophile zu ganz unterschiedlichen Dingen hingezogen. Manche lieben Gebäude, Musikinstrumente, Flugzeuge oder Baumaschinen. Sie führen regelrechte Liebesbeziehungen mit den jeweiligen Objekten ihrer Wahl. Es sind die Formen, Farben, die Verwendung oder sogar deren Töne, die als besonders anziehend empfunden werden. Die Gefühlspalette dieser Menschen in einer Liebesbeziehung zu einem Objekt ist ebenso vielfältig wie die von allen anderen. Von Verliebtheit mit Schmetterlingen im Bauch, über tiefe Liebe, sexuelle Anziehung bis hin zur Eifersucht kann alles dabei sein.
Rein statistisch betrachtet ist die Liebe zu Objekten sicher eine Abweichung von der Norm. Objektophile sind rein zahlenmäßig eine Minderheit. Aber man ist nicht krank, nur weil man etwas anderes mag als die Mehrheit. Auch Homosexualität wurde psychologisch als krank eingestuft – und das ist noch gar nicht so lange her. Normabweichungen sind per se gesellschaftlich definiert und folglich ist es nur eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz. Psychologisch betrachtet ist vor allem der Leidensdruck, den jemand wegen einer Neigung hat, Maßstab dafür, ob eine Behandlungsbedürftigkeit besteht. Und diese ist in der Regel bei Objektophilie nicht automatisch vorhanden. Insofern ist das wichtigste Kriterium für die Definition einer psychischen Störung nicht gegeben.
Sucht man das Internet ab, gibt es viele Nischen, in denen sich Liebhaber des Uhren-Fetischs eingerichtet haben. Es gibt Instagram Accounts, die sich Uhren tragenden sexy Girls widmen. Ein Tumblr Blog sammelt Bilder von Cops mit Armbanduhren. Spezielle Foren wie watchgirlsforum haben hunderte Mitglieder, abertausende Posts mit lebhaften Bekenntnissen zu Uhrenliebe, Diskussionen und Anregungen. Ebenso schnell wird man auf Reddit fündig, wo es gleiche mehrere Threads gibt, sowohl für Heteromänner, als auch für Gays. Es gibt sogar auf fast allen Pornoportalen wie Pornhub oder Youporn spezielle Clips oder Playlists mit Filmen für Freunde von Wrist Watches. Mit anderen Worten: Überall dort, wo man Sex und/oder Kink findet, wird auch der Uhren-Fetisch auf die eine oder andere Weise bedient. Und jedermann bzw. jedefrau wird fündig, ganz gleich, auf welche Weise sich der Uhren-Fetisch konkret äußert.
Ja. Wie bei allen anderen Fetischen ist auch der Uhren-Fetisch unglaublich vielfältig und reich an Facetten. Einige gestehen, dass sie auf bestimmte Marken oder Modelle stehen. Übrigens wurden mir gegenüber gleich mehrfach Michael Kors Uhren als die bevorzugte Marke der Wahl genannt, obwohl es sich hier wahrscheinlich um einen Zufall handelt, der seine Ursache in meiner zu kleinen Stichprobe hat. Andere Liebhaber nennen bestimmte Arten von Uhren wie Smartwatches oder betont sportliche Modelle wie Taucheruhren.
Diese Frage kann man mit einem klaren Ja beantworten. In den allermeisten Fällen sprechen die Liebhaber von Uhren ganz offen darüber. Die richtige Uhr ist ein wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Kriterium bei der Partnerwahl. Ein User schreibt: „Ich habe einen sehr ausgeprägten Uhrenfetisch. Ich achte z. B. nicht auf den Typ oder das Aussehen der Frau, sondern in erster Linie darauf, welche Uhr sie trägt. Besonders mag ich breite Uhren und am liebsten sind mir solche Uhren, mit einem großen rechteckigen Ziffernblatt ist wie z. B. die Esprit Houston Chrono.“ Ein besonderer Kick scheint es nicht nur für diesen User zu sein, wenn die Herzensdame gleich mehrere Uhren trägt, z. B. eine an jedem Handgelenk.
Der Eindruck drängte sich mir auf. Oben genannten Foren und Internetseiten sind ausschließlich von Männern bevölkert. Frauen sind hier immer „nur“ die Objekte der Begierde gewesen, nie selbst aktiv suchend. Jedenfalls konnte ich bei meinen Recherchen keine Frau finden, sie sich dahingehend äußerte. Natürlich gibt es Frauen, die Uhren mögen, jedoch nicht in dieser eindeutigen Form als ganz klaren sexuellen Fetisch.
Bei meinen Recherchen fiel mir auf, dass die Uhren in allen professionellen Werbefotos immer die gleiche Zeit zeigen, nämlich 10 nach 10. Dazu gibt es einige interessante historische Theorien, wie z. B. jene, dass um diese Zeit John F Kennedy ermordet wurde oder die Atombomben in Japan abgeworfen wurden. Beides ist amüsant, aber erstens faktisch falsch und zweitens nicht der Grund. Dieser ist viel einfacher: Die Zeigerstellung ist bei 10 nach 10 symmetrisch und folglich für das menschliche Auge attraktiver. Außerdem ist in dieser Einstellung der Blick auf das mittig im Ziffernblatt sitzende Logo bzw. den Namen des Herstellers ungehindert möglich.
Fetisch.de hat sich als Plattform dem Hashtag #kinkpositiv verpflichtet. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass alle einvernehmlichen sexuellen Aktivitäten gesund und lustvoll sind und gefördert werden sollten. Dieses Bekenntnis gilt nicht nur für Vorlieben, die einer gesellschaftlichen Norm entsprechen und von einer Mehrheit für gut befunden werden. Es bedeutet, jede Art zu akzeptieren, in denen Menschen sich in ihrer Sexualität ausdrücken. Es bedeutet jede/r hat das Recht, selbst zu bestimmen, was für ihn/sie sexuell funktioniert.
Tomasz Bordemé ist Autor und Blogger, der über BDSM und Erotik schreibt. Außerdem versorgt er unsere kinky Community auf Fetisch.de mit News und Einsichten aus der Szene.
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