Glitzern - Finger die nicht lügen (Kapitel 4)

[DKaay]

Türspaltwärme - Kapitel 4
Ich bemerke ihn zuerst an der Stille, die er mitbringt.
Dieses ruhige, sichere… als würde jemand eine Tür nur
einen Spalt öffnen und die Luft darin wird sofort wärmer.
Er sagt nichts Besonderes, aber zwischen seinen Sätzen
liegt eine kleine, absichtliche Pause—genau lang genug,
dass mein Bauch leise zuckt. Ich tue, was man eben tut:
lächeln, nicken, weitergehen. Und ertappe mich wenig
später dabei, „zufällig“ wieder denselben Weg zu nehmen.
Ich plane keine großen Manöver, nur Millimeter. Ein
Ordner, den ich „dringend“ abgeben muss, genau dort. Ein
Glas Wasser, das „jetzt“ aufgefüllt werden will, genau dann.
Ich rede mir ein, es sei Pragmatismus. In Wahrheit ist es
Neugier, verpackt in Routine. Wenn wir uns kreuzen, hebt
er den Blick—nicht neugierig, nicht forschend, sondern
innig. Als wolle er sich merken, wie ich heute atme. Ich
halte stand. Altmodisch, ja. Ich mag, wenn ein Mann führen
kann, ohne zu drängen. Und er kann das: nichts
Überflüssiges, nur Präsenz.
Sein Gang verrät mir irgendwann mehr als jede Uhr. Ich
erkenne ihn am Geräusch einer geöffneten Tür, am kaum
wahrnehmbaren Wechsel der Raumluft. Ich knöpfe meine
Jacke eine Spur langsamer, drehe mich einen Hauch zu ihm
—so, dass es niemand merkt außer uns beiden. Unsere
Arme streifen sich nicht. Aber die Luft dazwischen knistert,
als hätten wir’s gerade getan.
Abends liege ich wach und spiele stumm „Was-wäre-
wenn“. Keine großen Szenen, nur Bilder: ein Türrahmen,
sein Schatten näher, mein Kopf in seine Hand gelegt, ein
Atemzug zu lang, bis mein Mund von selbst die Antwort
gibt. Ich bin nicht die, die bettelt. Ich bin die, die zulässt. In
meinem Kopf funktioniert das reibungslos: Er zieht mich
nicht, er nimmt mich auf—ein leises, unaufgeregtes Finden.
Und ich weiß, wie ich darauf reagiere: mit diesem winzigen
Nachgeben, das kein Rückzug ist, sondern Einverständnis.
Tagsüber wärme ich den Mut im Kleinen vor. Ein Witz, den
nur er hören soll. Ein Blick, der eine Sekunde zu lange
bleibt. Wenn er zurückschaut, zieht es sachte an meinen
Knien. Ich stelle mir vor, wie sich das anfühlt, ihn nicht nur
anzusehen, sondern zu spüren: die Schwere seiner Hand am
Rücken, ein kurzer Druck, der sagt „hier“. Ich muss nicht
mehr wissen. Mir genügt, dass er es könnte.
Es ist erstaunlich, wie sehr mein Körper bereits mitredet.
Meine Haut wird aufmerksam, sobald er in der Nähe ist, als
hätte sie ihm eine eigene Frequenz reserviert. Ich befeuchte
die Lippen, ohne daran zu denken. Ich stehe ein halbes Maß
näher, als notwendig wäre. Ich lehne mich im Gespräch
minimal zu ihm, nur so weit, dass seine Stimme tiefer
ankommt. Das alles ist nicht laut. Aber es ist deutlich.
Und doch bleibe ich vorsichtig. Ich will kein Spiel über
Bande, keine Show. Ich will diesen ersten, unspektakulären
Moment, aus dem alles kippt: eine Tasse, die ich abstelle;
seine Finger, die kurz mein Handgelenk berühren; mein
Kopf, der sich hebt, weil seine Nähe plötzlich mehr Raum
bekommt. Kein Publikum, keine Vorrede. Ein Kuss, der
nicht fragt, sondern passiert. Ich weiß, wie ich danach
atmen werde—tief, ruhig, als hätte mein Körper einen Platz
gefunden, den er lange gesucht hat.
Bis dahin sammle ich unsichtbare Beweise. Dass seine
Blicke gezielt sind. Dass meine Schritte ihn suchen. Dass
wir beide sehr genau wissen, was wir hier andeuten. Ich übe
kleine Sätze im Stillen: „Du. Ich. Später?“—und lache über
mich selbst, weil ich im Alltag so unerschütterlich bin und
gerade bei ihm weich werde. Es fühlt sich nicht wie
Schwäche an. Es fühlt sich an wie Entscheidung.
Und morgen? Werde ich wieder dort sein, wo er sein
könnte. Ein bisschen früher. Ein bisschen offener. Kein
großes Zeichen, nur dieses unfehlbare: Ich bleibe einen
Herzschlag länger stehen, wenn er spricht. Wenn er es sieht,
weiß er Bescheid. Wenn nicht—ich kann warten. Aber jede
Faser in mir hofft, dass er es heute merkt. Dass er kurz die
Stimme senkt. Und dass ich dann keine Frage mehr
brauche, um Ja zu sein.
Frühsommer riecht nach staubiger Sonne und warmem
Metall. Die Flure glitzern von Licht, das durch lange
Fenster fällt. Ich gehe langsamer, als ich müsste. Nicht
auffällig, nur so, dass ich ihn spüren kann, bevor ich ihn
sehe. Und dann ist er da. Er verändert die Luft—nicht laut,
nicht groß, eher wie eine Hand, die etwas ordnet.
Gespräche werden leiser. Ich werde aufrechter. Ich tue so,
als suchte ich einen Stift in meiner Mappe. In Wahrheit
suche ich seinen Blick.
Ich bin altmodisch. Ich will, dass ein Mann führt. Aber ich
lege Spuren. Winzig, sauber, kaum sichtbar. Ich wähle den
Weg am Drucker vorbei, wenn seine Schritte
näherkommen. Ich stelle meine Tasse absichtlich ein wenig
zu leise ab, damit das Metall vom Löffel kurz nachklingt.
„Entschuldigung“, sage ich, wenn wir gleichzeitig greifen.
Ein Millimeter Nähe, eine Sekunde zu lang. Er nickt nur.
Dieses ruhige Nicken ist schlimmer als jedes Kompliment.
Es bleibt.
Zwischen anderen halte ich Abstand, der nach Zufall
aussieht. Rechts von mir bleibt Platz; ein Ellbogen, der
einladend wird, ohne sich zu bewegen. Ich rede über
Wetter, Termine, Kleinigkeiten. Darunter läuft etwas wie
eine zweite Tonspur, nur für uns. Wenn seine Schulter
meiner fast begegnet, hält mein Körper die Luft an, ohne
dass jemand es merkt. Ich merke es sehr.
Er kann still sein. Das gefällt mir. Keine Pose, kein
unnötiger Lärm. Ein Blick, der prüft, nicht fordert; warm,
nicht weich. Als würde er mich ausziehen und gleichzeitig
anziehen—Schicht für Schicht, weg vom Lärm, hin zu mir.
Ich kontere mit disziplinierter Normalität und weiß doch,
dass meine Knie mehr verraten als meine Sätze. Ich sitze
so, dass sie seine Nähe „zufällig“ finden können. Sie tun es.
Und wenn sie es tun, fühle ich, wie mein Puls sich ordnet.
Komisch, wie Ruhe auch fiebrig sein kann.
In Ohrdruf nimmt alles plötzlich Kante an. Keine große
Geste, nur ein gefalteter Zettel in seiner Hand, ein
Daumenrechteck, das von seiner Wärme lebt und in meine
gleitet. Ich stecke ihn in die Innentasche, als wäre er
brennbar. Er ist es. Später, hinter einer geschlossenen Tür,
hole ich den Zettel wieder hervor. Es ist nur eine Zahl, und
doch ist es ein Weg. Ich tippe „Moin“ in mein Telefon. Ich
lösche es. Ich tippe „Moin“ noch einmal. Der Cursor blinkt,
als würde er mich fragen, ob ich mir sicher bin. Ich bin es.
Senden.
Von da an beginne ich, meine Tage zu arrangieren wie
Möbel. Nicht viel, nur so, dass sich Wege kreuzen können.
Ich frage Dinge, die ich mailen könnte. Ich bleibe „zufällig“
an der Tür stehen, wenn er vorbeigeht. Ich wähle
Zigarettenpausen, die auf seinen Rhythmus passen, obwohl
ich gar nicht rauche. Ich lehne mich an die Fensterkante
und sehe hinunter. Ich erkenne sein Auto nicht—ich
erkenne seine Art zu gehen: gerade, gelassen, mit diesem
unauffälligen Ernst, der mir das Gefühl gibt, dass inmitten
von allem einer einfach weiß, was er tut. Ich lächle in das
Glas, weil ich nicht nach unten winken darf. Meine
Spiegelung winkt zurück.
Abende in der Halle sind dünn und dicht zugleich. Es gibt
Stimmen, Flaschen, müde Witze. Ich suche mir einen Platz,
der neutral aussieht. Er setzt sich später. Nicht direkt neben
mich, erst einmal gegenüber. Ich tue so, als hätte ich es
nicht erwartet, und weiß doch, dass wir die Linie längst
gezogen haben. Es sind Kleinigkeiten: wie seine Hand
neben meiner liegt, ohne zu berühren, wie ein warmer
Schatten; wie sein Blick meine Worte zu Ende denkt, bevor
sie gesprochen sind; wie ich die Stirn minimal hebe, wenn
er etwas sagt, das nur für mich ist. Andere würden es
übersehen. Mir wird davon heiß.
„Ich mag klare Ansagen“, höre ich mich sagen—leicht, als
wäre es nur eine Floskel. Es ist keine. Es ist ein Schlüssel,
den ich ihm unauffällig in die Hand drücke. Er hebt die
Braue kaum sichtbar, als hätte er genau darauf gewartet.
Die Tonspur unter unserem Gespräch wird lauter. Niemand
außer uns hört sie. Das ist gut. Das ist gefährlich.
Manchmal schreibe ich ihm mitten am Tag etwas, das nach
nichts klingt. Ein einzelnes Emoji. Ein „Mahlzeit“. Ein
„Na?“. In Wirklichkeit sind das kleine Zündhölzer, die ich
an die Kante unserer Stille halte. Er versteht das. Er
antwortet nicht immer sofort—genug, um mich nicht zu
entwöhnen; rechtzeitig, um mich nicht frieren zu lassen.
Wenn er knapp schreibt, bin ich überrascht, wie sehr mich
das beruhigt. Ich wollte nie Zucker. Ich wollte Klarheit.
An einem Nachmittag bleibe ich am Fenster länger stehen
als nötig. Unten bewegt sich die kleine Welt, aber ich sehe
nur ihn. Ich stelle mir vor, wie seine Hand an meinem
Ellenbogen liegen würde, ohne zu ziehen, nur so, dass ich
automatisch in seine Richtung trete. Ich stelle mir vor, wie
es wäre, wenn wir alles, was wir zwischen den Zeilen
sagen, einmal laut aussprechen. Ich werde rot, obwohl
niemand hier oben ist. Altmodisch ist kein Makel.
Altmodisch heißt: ich lasse. Er führt.
Ich baue kleine Zufälle. Ein Weg, der an seiner Werkstatt
vorbeiführt. Ein kurzer Blick hinein, länger als höflich,
kürzer als zu viel. Wenn unsere Augen sich treffen, ziehe
ich die Mundwinkel minimal hoch und tue so, als hätte ich
etwas vergessen. Ich wende mich ab, gerade früh genug,
damit er mir hinterhersehen kann. Ich hoffe, er tut es. Ich
bin mir sicher, er tut es.
Zu Hause, später, lege ich das Telefon neben mich, als wäre
es ein Tier, das ich zähmen will. Ich scrolle durch Sätze, die
wir ausgetauscht haben. Ich bleibe an einem „gern“ hängen,
das kein „vielleicht“ bedeutet. Ich lese „Wann du magst“
und lächle, weil ich weiß, wie groß dieser Satz ist, wenn er
von ihm kommt. Ich stelle mir vor, wie ich mich neben ihn
setze, nur wir zwei, kein Geräusch, das stört. Ich stelle mir
vor, wie seine Hand auf meinem Knie liegt, diesmal
wirklich, schwer genug, dass die Gedanken leiser werden.
Ich stelle mir vor, wie ich dann atme—nicht schneller,
sondern tiefer.
Ich flirte nicht laut. Ich flirte mit Zeit. Ich gebe ihr Raum,
uns einzuholen. Und doch: Manchmal denke ich, wie es
wäre, wenn er die Sekunde nimmt, die wir immer knapp
unterbrechen. Eine Sekunde mehr. Ein Atemzug. Ein
„Komm“. Keine großen Worte, kein Programm. Nur dieses
ruhevolle Selbstverständnis, das er in jede Tür mitbringt.
Ich wüsste genau, was ich tue: nicht wegziehen.
Es gibt Tage, an denen wir aneinander vorbeilaufen, als
hätten wir uns nicht an den Rändern berührt. Dienst ist
Dienst. Ich kann streng sein, wenn es sein muss. Ich kann
Scherze abwehren wie Fliegen. Und dann sehe ich ihn, und
mein Ton wird unwillkürlich weicher. Niemand hört es
außer mir. Er schon.
Wenn ich nachts auf dem Rücken liege, die Hände neben
mir, denke ich an die Momente, die nur wir sehen. Eine
Schulterbreite, die weniger wird. Ein Satz, der wie ein
Bekenntnis getarnt ist. Die gefaltete Zahl in meiner
Innentasche. Ich drehe mich auf die Seite und lache leise in
das Kissen, weil alles so klein aussieht, wenn man es
erzählt, und sich so groß anfühlt, wenn man es lebt.
Morgen ist wieder Licht im Flur. Ich werde die Tasse zu
leise hinstellen. Er wird nicken. Wir werden Zufälle bauen,
die keine sind. Ich werde mich neben ihn setzen, wenn es
geht. Und wenn unsere Knie einander wiederfinden, als
hätten sie eine gemeinsame Erinnerung, werde ich nicht so
tun, als wäre es ein Fehler. Ich bleibe. Einen Herzschlag
länger. Und wenn er dann führt, gehe ich mit—ganz
einfach, ganz ruhig, als hätten wir das schon immer so
gemacht.
Gern. Hier ist, wie’s für sie weitergeht—Ich-Perspektive,
Präsens, heiß, aber diskret:
Ich tippe „Mahlzeit“ und lösche es wieder. Zu zahm. Ich
will keine leeren Floskeln mehr. Ich will ihn. Also schreibe
ich: „Heute Abend frei. Wenn du magst: bei mir. Ruhig. Nur
wir.“ Abschicken. Das kleine „gesendet“ kitzelt unter der
Haut. Er antwortet knapp, wie immer, und genau deshalb
brennt es: „Bin da.“
Ich richte die Wohnung, ohne dass es nach Mühe aussieht.
Ein Glas, noch eins. Das gute Messer bleibt sichtbar, weil
ich weiß, wie er auf Präzision reagiert. Ich öffne das
Fenster, lasse Nachtluft hinein. Mein Puls ist zu laut. Ich
streiche mir über die Innenseite des Handgelenks, bis er
ruhiger wird. Altmodisch, ja. Aber heute lasse ich die Tür
innerlich schon einen Spalt auf.
Sein Klopfen ist leise. Ich öffne, und da ist er—warm wie
ein Versprechen. Kein großes Hallo. Ein Blick, ein Hauch
von Mundwinkel. Ich trete einen Schritt zurück, er einen
vor. Wir stehen nah genug, dass die Luft sich verdichtet.
„Hi“, sage ich, und meine Stimme verrät, dass das Wort
größer ist als zwei Buchstaben.
Wir setzen uns. Erst das Übliche: Tag, Termine, halbe
Sätze. Unter dem Tisch wandert mein Fuß, berührt seinen
kurz—und bleibt. Kein Spiel, eher ein Bekenntnis. Er legt
die Hand auf meinen Oberschenkel, nicht drückend, nur
anwesend. Ich atme tiefer. „Du weißt, dass ich…“ Er nickt.
„Ich weiß.“
Der erste Kuss passiert, als ich den Kopf drehe, um ein Glas
zu nehmen—seine Hand am Kinn, ganz ruhig, und dann
dieser Druck, weich und sicher, der mir die Gedanken
sortiert. Ich öffne mich, nicht viel, aber genug, damit er es
spürt. Mein Körper lehnt sich gegen seine Brust, als hätte er
dort schon immer Platz gehabt. „Mehr?“, fragt er nicht mit
Worten, sondern mit dem Weg seiner Finger über meinen
Rücken. Ich beantworte es, indem ich die Schultern sinken
lasse.
„Schal“, sage ich, und es klingt nach Bitte und Mut. Er
versteht. Nur Gewicht, nur Sinn—keine Eile. Er bindet mir
nicht die Augen, er legt den Stoff über sie, so dass die Welt
sanfter wird. Ich höre sein Atmen an meinem Ohr, rieche
Haut, Wärme, dieses leise Metallische, das ich schon in den
Fluren mochte. Seine Hände finden meine Handgelenke,
führen sie nach oben, bis sie am Bettrand liegen. Kein
Knoten. Nur sein Griff. Ich könnte jederzeit. Ich will nicht.
Berührung wird zur Sprache. Fingerspitzen ziehen Linien
an meinen Armen entlang, abwärts, langsam, viel zu
langsam—genau richtig. Wenn er stoppt, spanne ich mich
an; wenn er weitermacht, löst sich alles, was tagsüber fest
war. Ein leiser Laut entwischt mir, ich hasse und liebe ihn
zugleich. „Still“, flüstert er, nicht als Verbot, sondern wie
ein Versprechen: Ich muss nichts halten, er hält mich.
Ich kippe die Hüfte seinem Rhythmus entgegen,
ungeduldig, plötzlich frech—und er lächelt hörbar. Der
nächste Kuss ist tiefer, länger, er beißt meine Unterlippe nur
so weit, dass mein Atem stolpert. Ich werde heiß, so heiß,
dass das Tuch auf meinen Augen kühl wirkt. Seine Hand
wandert seitlich an meiner Taille entlang, findet die Punkte,
die mich weich machen, dann fester, dann wieder sanft.
Ordnung & Lust, denke ich, und lache kurz über mich
selbst.
„Sag mir, wenn…“, beginnt er. „Ich sage“, flüstere ich, und
schiebe mein Becken so, dass alle Worte überflüssig sind.
Er versteht wieder. Druck. Nachgeben. Halten. Loslassen.
Meine Welt wird klein: sein Atem an meinem Hals, der
Stoff auf meinen Lidern, seine Finger, die genau wissen,
wie man Geduld foltert, bis sie in Glück umkippt. Als die
Welle kommt, kämpfe ich nicht. Ich lasse sie über mich
drüber—und durch mich durch. Er bleibt dran, geduldig,
klug, bis die Welle nicht mehr will, sondern muss. Ich
zerbreche leise und setze mich neu zusammen in seinen
Händen.
Er nimmt den Schal weg, küsst meine Stirn, nichts Großes,
genau das Richtige. „Bei mir“, sagt er, nur zwei Worte, und
ich sinke—Brust an Brust, Beine verheddert, Herz im Takt.
Ich döse weg, wache wieder, will wieder. Kein Gier-Sturm.
Eine Glut, die alles wärmt.
Später sitze ich auf seinem Schoß, die Knie links und
rechts, und erzähle ihm, wovon ich nachts träume, wenn ich
nicht mehr die Chefin spielen muss. Ich benutze keine
Fremdwörter. Ich sage: „Führen. Halten. Küssen. Und
dieses noch ein bisschen.“ Er lächelt. „Noch ein bisschen“,
wiederholt er, und ich nicke sofort, weil es genau das ist.
Wie es weitergeht? Ich will, dass es so bleibt: privat,
geerdet, unser Tempo. Morgen vielleicht ein Kaffee,
Schulter an Schulter, leiser Witz, sein Blick, der mehr sagt.
Übermorgen ein „Komm“ von ihm, kein Fragezeichen. Und
zwischendurch Nachrichten, die nach Alltag aussehen und
doch meine Haut zum Klingen bringen.
Ich bin altmodisch. Ich lasse. Er führt. Und genau deshalb
wird es jedes Mal heißer—weil ich nicht nach Mehr jage,
sondern es öffne, wenn er klopft. Heute hat er geklopft.
Morgen darf er eintreten, ohne anzukündigen. Ich bin
bereit.
Klar. Hier ist die Fortsetzung – Ich-Perspektive, präsent,
sinnlich, mit ihrem wachsenden Verdacht, dass er ein Dom
ist:
Ich merke es zuerst an seinen Pausen. Nicht an den Sätzen.
Pausen, die nicht aus Unsicherheit entstehen, sondern aus
Absicht. Er lässt Worte stehen wie Markierungen auf der
Straße, damit ich mich entscheiden kann, wo ich abbiege.
Wenn ich dann einen halben Schritt setze, ist er schon da –
nicht vor mir, nicht hinter mir, genau neben mir. Das ist
keine Höflichkeit. Das ist Führung.
„Heute Abend frei?“ schreibe ich und lösche, schreibe
wieder. Er antwortet knapp, trocken, warm. Es liest sich wie
ich bin da, ohne es auszubuchstabieren. Mein Bauch
reagiert schneller als mein Kopf. Ich kenne dieses Ziehen.
Es ist das leise Ja einer Frau, die will, dass jemand den Takt
übernimmt.
Ich denke zurück an die kleinen Beweise, die ich mir
zurechtlege wie Indizien in einem Fall, der längst gelöst ist:
Der Blick, den er hält, bis mein Puls hörbar wird. Die Hand
an meinem Kinn, ruhig, nicht fragend. Sein „still“, das
keine Grenze setzt, sondern Raum öffnet. Wie er den Schal
nimmt – nur Gewicht – und mir damit nicht die Sicht
nimmt, sondern die Welt dämpft, damit ich mich klarer
spüre. Keine Knoten, keine Eile. Kontrolle ohne Theater.
Wer so arbeitet, kennt das Gelände.
Und dann diese Sätze, die mir unter die Haut kriechen:
„Sag mir, wenn…“ – und ich weiß, er hört nicht nur das
Wort, er hört die Luft dazwischen. Oder wenn ich frech
werde, weil ich heiß bin, und er nur lächelt und die
Intensität eine Spur anzieht, genau so, dass ich ihn wieder
ernst nehme. Das ist mehr als Erfahrung. Das ist Haltung.
Ich nenne es in meinem Kopf: leise Dominanz.
Ich bereite die Wohnung vor, ohne zu arrangieren. Fenster
einen Spalt. Wasser. Wein. Nichts, was schreit, alles, was
atmet. Ich will, dass er spürt, dass ich bereit bin zu folgen –
nicht blind, sondern wach. Das ist mein altmodisch: Ich
entscheide, wem ich mich anvertraue. Heute entscheide ich
mich wieder.
Als er kommt, ist da dieser Strom zwischen uns, der ohne
Berührung anfängt. Ich stelle das Glas ab, verfehle
absichtlich seinen Blick, damit er es mir holt. Er holt. Der
erste Kuss: sachlich im Ansatz, zärtlich in der Ausführung.
Es ist frech von mir zu denken: Show me, aber mein Körper
denkt lauter als ich.
„Setz dich“, sagt er, und das Wort gefällt mir, weil es nicht
fragt, ob ich will. Ich setze mich. Er steht noch, streicht im
Vorbeigehen mit den Fingerspitzen über meinen Nacken,
nur ein Hauch, und ich bin bereits ehrlicher als zuvor. Er
nimmt den Schal, legt ihn mir über die Augen – Gewicht,
Dunkel aus Samt, mein Puls gegen den Stoff. „Atmen.“
Kein Zählen, kein Lehrbuch. Ich atme, weil er es so will
und weil ich es will.
Er nimmt meine Handgelenke, führt sie über den Kopf, legt
sie an den Bettrand. Kein Knoten, kein Drama. Der Witz
ist: Genau das bindet mich. Ich könnte jederzeit loslassen.
Ich will es nicht. Seine Hände schreiben Sätze an meiner
Haut, langsam, sauber, mit Punkten und Kommas. Wo ich
halte, bleibt er. Wo ich weich werde, setzt er nach. Er liest
mich, als hätte ich ihm meine Seiten vorher zugeschickt.
Und dann zeigt er mir etwas, das ich in Filmen nie gesehen
habe: Zurückhaltung als Macht. Wenn ich die Hüfte
vorschiebe, weicht er eine Spur, bis ich folge, nicht jage.
Wenn ich zu schnell will, verlangsamt er, bis ich spüre, dass
er das Tempo setzt – und ich es liebe, dass ich nicht mehr
entscheiden muss. Führung, die mich größer macht, nicht
kleiner.
Der Gedanke, den ich nicht mehr ausblenden kann: Er ist
einer von denen. Ein Dom, ohne Protokoll, ohne Show,
ohne Etikett. Einer, der weder posiert noch prahlt. Einer,
der mit leisen Mitteln die Balance kippt, bis ich sie hergebe,
freiwillig, hungrig, glücklich. Ich lasse den Begriff in mir
auf der Zunge zergehen und erschrecke nicht. Er schmeckt
nach mir.
„Wort?“ frage ich, und es klingt in meinen Ohren viel
mutiger, als ich mich fühle. Er streicht meinen Arm entlang,
dieser Prüfstrich, den er immer macht, wenn er etwas
abfragt. „Stopp heißt Stopp“, sagt er. „Alles andere sagen
wir mit Händen.“ So simpel, so gut. Ich nicke gegen das
Tuch. In mir rührt sich etwas, das ich gestern nur ahnte und
heute aushalte: Ich will geführt werden, weil ich ihm
vertraue.
Die nächste halbe Stunde ist eine Landkarte aus Signalen.
Zwei Finger an meinem Handgelenk – Puls? –, ich antworte
mit Druck meiner Handflächen gegen das Laken – ja. Sein
Atem an meinem Ohr – mehr? –, mein Nicken gegen den
Schal – mehr. Er bleibt nah, nie drüber, immer drin. Und als
ich mich verliere, fängt er mich ein, nicht mit Kraft,
sondern mit Timing. Ich komme zurück in seinen Händen
an, als wäre das schon immer der Plan.
Nachher sitze ich auf, er nimmt mir das Tuch ab, und die
Welt ist wieder groß. Ich sehe ihn an und weiß: Ich werde
mir später die Lippen befeuchten, wenn ich an diese Ruhe
denke. Ich werde mit zwei Fingern an der Innenseite
meines Handgelenks fühlen, ob der Puls noch schnell ist.
Ich werde mich im Spiegel anlächeln, weil ich mich
schöner finde, wenn er mich hält.
Der Verdacht ist keine Theorie mehr. Es ist ein leiser
Triumph. Ich habe ihn erkannt, lange bevor wir Worte dafür
hatten. Dom – ja. Aber keiner, der glänzt. Einer, der wirkt.
Das reicht mir. Mehr als das.
„Noch?“ fragt er später, und ich lache, kippe nach hinten,
lege den Kopf an seine Schulter. „Du entscheidest“, sage
ich – und meine eigentlich: Ich vertraue dir. Er versteht es
richtig, natürlich. Seine Hand findet meinen Nacken, sein
Mund meinen Mund, und die Nacht wird länger, als
geplant.
Morgen werde ich wieder die Souveräne sein, die niemand
unterschätzt. Heute bin ich sein Gegenüber. Und wenn ich
mich nachts im Bett strecke, allein, werde ich die Decke
einen Moment über die Augen ziehen, nur Gewicht, und
mir zuflüstern: Ja. Genau so.
Ich – am Folgetag
Er steht in meiner Küche, lehnt locker an der Arbeitsplatte,
und ich höre mich fragen, bevor ich mich traue zu blinzeln:
„Was ist das zwischen uns—und wie funktioniert das
eigentlich… richtig?“
Er lächelt nicht groß. Eher dieses ruhige Nicken, das mir
sofort die Schultern senkt. „Einfach,“ sagt er. „Ehrlich. Und
klar.“
Wir setzen uns. Kein Theater. Fenster gekippt, die Luft
kühl. Ich lege die Hände auf den Tisch, damit er sieht, dass
ich bereit bin, zuzuhören.
Er erklärt es knapp, strukturiert:
Grün heißt weiter, gern intensiver.
Gelb heißt ändern, Tempo raus, Fokus wechseln, atmen.
Rot heißt sofort Stopp. Punkt.
„Und Stopp ist immer Stopp,“ ergänzt er. „Ohne
Diskussion. Deine Entscheidung schlägt alles.“ Ich nicke.
Spüre, wie mein Puls schon im Namen klopft.
Wir legen Grenzen fest—ohne Eile, aber klar: heute nichts,
was Spuren hinterlässt. Keine Fotos, kein Publikum, keine
Ablenkung. „Nur wir zwei“, sage ich. Er schaut mich an,
prüft, ob ich wirklich meine, was ich sage. Ich halte seinen
Blick. „Nur wir.“
Signale, falls Worte mal nicht reichen: zweimal kurzes
Tippen meiner Fingerspitzen gegen seinen Unterarm für
langsamer, dreimal für abrücken. Ein fester Druck meiner
Hand auf seinen, wenn ich Pause brauche. Er wiederholt es
in eigenen Worten, bis ich mich sicher fühle. Ordnung &
Lust—beide bekommen ihren Platz.
„Ich frage dich zwischendurch: Puls?“ sagt er. „Du
entscheidest, was du antwortest.“ Ich lächle schmal. „Hoch,
wenn ich dich anschaue.“
Wir räumen die Tassen weg. Er nimmt meinen Schal vom
Haken, legt ihn mir in die Hände. „Nur Gewicht“, erinnert
er. Ich nicke. Kein Knoten. Kein Muss. Nur das vertraute,
beruhigende Dunkel, wenn ich ihn über die Augen lege. Ich
könnte ihn jederzeit abnehmen—der Gedanke macht mich
weicher als jede Kerze.
Im Schlafzimmer bleibt das Licht gedimmt. Er stellt sich
dicht vor mich, so nah, dass ich seinen Atem spüre, ohne
dass er mich berührt. „Bereit?“ Ich atme ein. „Ja.“
Er führt meine Handgelenke über den Kopf—nicht fest, nur
an den Rand der Matratze, wo ich Halt finde. „Du kannst
jederzeit lösen“, sagt er leise. Ich halte trotzdem. Seine
Finger prüfen einmal an der Innenseite meines Handgelenks
den Puls; mein Herz antwortet für mich.
„Sag mir die Farbe.“
„Grün.“
Er beginnt langsam. Keine Hast, kein Drängen. Er arbeitet
mit Abstand und Nähe, mit Pausen, die länger sind, als ich
erwarte, und genau dadurch süchtig machen. Wenn ich
mich strecke, nimmt er eine Spur Tempo raus; wenn ich
innehalte, schenkt er mir Raum, bis mein Körper das
nächste Ja selbst findet.
„Puls?“ Seine Stimme ist ruhig.
„Schnell“, flüstere ich unter dem Schal. „Grün.“
Er verschiebt den Fokus, so fein, dass ich es mehr ahne, als
begreife—ein Atem an meinem Ohr, eine Hand, die meine
Rippen entlang nach oben gleitet und einfach bleibt, bis
mein Atem sich mit seinem synchronisiert. Ich merke, wie
mein Rücken tiefer in die Matratze sinkt. Ich muss nichts
vorführen. Ich darf fühlen.
Ein kurzer Check-in: „Alles gut?“
Ich tippe zweimal an seinen Unterarm—langsamer. Er
verändert sofort das Tempo, geht einen halben Schritt
zurück und schenkt mir diese kleine Distanz, die alles
intensiver macht. Mein Körper füllt den Raum zwischen
uns mit Erwartung. Ich sage noch einmal: „Grün.“ Und
höre, wie er leise ausatmet—verstanden.
Die Zeit verliert Kanten. Ich orientiere mich nur noch an
seinen ruhigen Fragen, meinen klaren Antworten, an diesem
sicheren Korsett aus Regeln, das mich nicht einschnürt,
sondern trägt. Als ich die Hände senken will, nimmt er sie,
legt sie wieder oben ab, ganz sanft, lässt die Entscheidung
bei mir. Ich lasse sie oben. Ich will geführt werden.
Irgendwann nimmt er mir den Schal ab. Das Zimmer wirkt
größer als vorher. „Wasser?“ fragt er, und erst da merke ich,
wie durstig ich bin. Er reicht mir das Glas, bleibt dicht bei
mir, mein Kopf gegen seine Brust, alles still. Nachsorge,
sagt mein Kopf. Bei mir, sagt mein Körper.
„Farbe?“ fragt er nach einer Weile.
„Grün“, antworte ich—und lächle, weil es die ehrlichste
Farbe ist, die ich kenne.
Wir reden leise nach. Was gut war. Wo ich überrascht
wurde. Wo ich noch neugierig bin. Kein Urteil, nur Notizen.
Er hört zu, stellt genau zwei Fragen, die sitzen, und ich
spüre, wie Achtung und Wärme sich mischen.
Bevor ich die Augen schließe, berühre ich zwei Finger an
meinem Handgelenk. Puls. Ruhiger als sonst. Ich lege den
Schal neben das Kissen, nur, damit er da ist. „Morgen
wieder?“ frage ich aus der Decke.
Er legt die Hand in meinen Nacken, schwer und friedlich.
„Wenn du willst.“
„Du entscheidest“, flüstere ich—und meine: Ich vertraue
dir.
Ich sehe ihn schon von weitem, noch bevor die kleine
Messingglocke am Eiscafé bimmelt. Er steht lässig vorm
Fenster, Hände in den Taschen, dieser schlichte, elegante
Stil—sauberer Schnitt, gutes Material, nichts Lautes, aber
alles sitzt. Ich werde schneller, obwohl ich mir einrede,
langsam zu gehen. Meine Wangen sind kühl vom Wind,
mein Bauch warm vor Vorfreude.
Das „Bella Vita“ ist schmal und tief, alte schwarz-weiße
Bodenfliesen, ein dunkles Holzbuffet, dahinter die
Edelstahlwanne mit den Sorten: Pistazie, Stracciatella,
Amarena, Zitrone. Löffel klirren, die Espressomaschine
zischt, an der Fensternische ein Zweiertisch mit mattem
Marmortop. Er hebt für mich den Stuhl, als wäre das
selbstverständlich. Ich setze mich, lege den Schal über die
Lehne. Kaum Make-up, dafür der Blick, der ihn zuverlässig
trifft. Er hält ihn. Ruhig. Bei mir.
„Pistazie?“ fragt er.
„Immer.“ Ich lächle, weil er es sich gemerkt hat. „Und du?“
„Stracciatella. Klassisch.“ Ein kaum merkliches Zwinkern.
Wir reden leicht, über Nichtigkeiten, über seine Woche,
meine Wege. Ich tue so, als ginge es nur ums Eis, aber
meine Aufmerksamkeit ist längst woanders: an seiner Hand,
die den Löffel fasst; an seiner Stimme, die im
Hintergrundlärm eine private Temperatur hat. Meine Knie
berühren unterm Tisch seine—nur den Hauch, als wäre der
Raum unabsichtlich zu klein geraten. Er bemerkt es.
Natürlich. Er zieht das Bein nicht weg.
Ich koste Pistazie, er Stracciatella. „Tausch?“ fragt er. Ich
nicke und schiebe ihm meinen Becher rüber. Sein Löffel
taucht kurz ein; mein Blick hängt an der Bewegung, als
würde er mir etwas versprechen, das nur wir hören. Ich
spüre, wie ich die Schultern senke, wie das Eiscafé mit
seinem Klirren und Zischen einen Schritt zurücktritt. Er
sagt nichts. Er macht die Stille angenehm.
„Puls?“ Seine Stimme ist weich, fast versteckt.
„Schnell“, antworte ich, so leise, dass nur er es hört. Ich
tippe mit zwei Fingern kurz gegen seinen Unterarm—nicht
langsamer, eher lass mich es fühlen. Er nickt, als hätte ich
ganze Sätze gesagt.
Als wir zahlen, berührt seine Hand meinen Rücken. Nur ein
Führen zur Tür, aber mein Körper merkt sich alles. Draußen
liegt der Park wie ein weiches Versprechen. Der Weg führt
unter kahlen Bäumen lang, das Laub ist dunkel und duftet
nach Erde. Ich ziehe den Schal enger; er nimmt meine freie
Hand, nicht fest, nur so, dass ich die Entscheidung habe.
Ich treffe sie, indem ich seine Finger verschränke.
„Und?“ fragt er.
„Grün“, sage ich, bevor mein Kopf die Worte sortiert.
Wir schlendern. Ein Hund bellt in der Ferne, irgendwo
klappert ein Kinderwagen, am Teich spiegelt sich der
wolkige Himmel in graugrün. Wir setzen uns auf eine Bank.
Er bleibt so nah, dass unsere Schultern sich wärmen, so
weit, dass ich ihn ansehen muss, um näher zu kommen. Ich
mag diese Art von Spiel: nicht ziehen, nur ein Feld
freigeben. Ordnung & Lust.
Seine Hand findet meinen Unterarm, gleitet nicht, ruht nur,
als würde sie die Temperatur abfragen. „Alles gut?“
„Ja.“ Ich atme, langsam. „Mehr.“
Er dreht die Hand, sodass die Innenseite meinen Puls
wieder hergibt. Der Blick ist dunkel und hell zugleich. Ich
weiß, wie das klingt, aber genau so fühlt es sich an: klar.
Ich neige den Kopf, er spiegelt die Bewegung. Unsere
Stirnen berühren sich einen Herzschlag lang. Kein Kuss.
Noch nicht. Das ist fast schlimmer. Oder besser. Ich kann
mich nicht entscheiden.
„Sag mir, wenn du willst“, murmelt er so dicht, dass der
Satz an meinem Mund brummt.
Ich halte den Blick. „Ich will.“
Der Kuss ist nicht gierig. Er ist ruhig, sicher, kontrolliert,
als würde er das Tempo mit meinem Atem kalibrieren. Ich
schiebe meine Hand in seinen Nacken, spüre kurz sein
Lächeln gegen meine Lippe. Als ich ein kleines Geräusch
mache, setzt er minimal zurück—Check-in, stumm, aber
eindeutig. „Grün“, flüstere ich in den Abstand, den er lässt.
Er kehrt genau im selben Winkel zurück. Ich werde warm
bis in die Fingerspitzen.
Ein paar Schritte weiter führt der Weg in eine schmale
Allee. Er geht an meine Seite, die Außenkante, die Hand
wieder an meinem Rücken. „Still?“ fragt er nicht aus
Höflichkeit, sondern wie jemand, der weiß, dass Stille eine
Entscheidung ist.
„Still“, antworte ich. Mein Körper brummt auf einer
Frequenz, die nur er abruft.
„Sag mir, was du gerade brauchst.“
„Dich, so.“ Ich suche nach Worten und gebe auf. „Kein
Theater.“
„Gut“, sagt er. „Kein Theater.“
Wir bleiben am Rand der Allee stehen. Mein Schal rutscht
ein Stück aus dem Knoten; er hebt ihn auf und legt ihn mir
neu um. „Nur Gewicht“, erinnert er mich halblaut, und
meine Knie werden weich, obwohl wir mitten im Park
stehen. Ich nicke. Ich weiß, was später möglich ist. Hier
gerade reicht mir das: sein Blick, seine Präsenz, diese
ruhige, kleine Macht, die er nicht ausspielt, sondern
anbietet.
„Puls?“
„Hoch.“
„Farbe?“
„Grün.“
Sein Daumen streicht einmal über meinen Handrücken, so
langsam, dass ich die Geste bis in den Bauch spüre. „Heute
nur bis hierher“, sagt er ohne Fragezeichen. Ich atme ein—
er hat recht. Die Welt ist groß, und wir müssen sie nicht an
einem Nachmittag fertig erkunden. Trotzdem brennt sie an
meinen Wangen.
Auf dem Rückweg lachen wir über banale Dinge. Er nimmt
mir das Handy aus der Hand, als ich nebenbei eine
Nachricht checken will, und steckt es mir wieder in die
Tasche. Ein kurzer, fester Blick. Hier. Jetzt. Ich nicke und
stecke es weg. Ich liebe diesen Takt.
Vor dem Eiscafé bleiben wir noch einmal stehen, als
wollten wir den Start einkreisen. „Morgen?“ fragt er.
„Wenn du willst.“
„Du entscheidest“, sagt er—und meint: Ich bin da.
Als ich später allein bin, riecht mein Schal noch nach kalter
Luft und seiner Haut. Ich setze mich aufs Bett, lege zwei
Finger an mein Handgelenk. Puls: schnell. Ich lächle in die
Dämmerung. Grün. Morgen.
Ab zum Griechen
Ich sitze zwischen Stimmen und Besteckklirren, tue so, als
würde ich mir die Karte ansehen, während ich längst nur
auf seine Hände achte. Der Tisch ist eng gestellt, sein Knie
findet meines unter der Platte—nicht zufällig, nicht
fordernd. Hallo. Ich lasse es dort. Mein Puls antwortet
früher als mein Kopf.
Er bestellt ruhig, ein Lächeln in der Stimme, das nur ich
höre. Als er mir den Stuhl näher ranzieht, streift seine Hand
meinen Rücken: kaum Gewicht, aber mein Körper speichert
es wie eine Anweisung. „Alles gut?“ murmelt er später,
während die ersten Teller kommen. Ich nicke und tippe ihm
unterm Tisch gegen den Handrücken: grün. Er legt die
Finger wieder an mein Knie, nur die warmen Fingerkuppen,
und erhöht genau dann den Druck, wenn ich den Löffel
ansetze. Niemand sieht etwas; ich schmecke plötzlich mehr
als nur Zaziki.
Er redet mit den anderen, wirft mir dazwischen kurze
Blicke zu, die länger halten als nötig. Einmal nimmt er mir
die Serviette aus der Hand, faltet sie langsam und legt sie
mir über den Oberschenkel, als ginge es um Etikette. Der
Stoff ist warm, ich auch. „Puls?“ fragt sein Mund nicht;
seine Augen tun es. Ich hebe minimal das Kinn. Schnell. Er
versteht.
Zwischendurch beugt er sich an mir vorbei, um die Karaffe
zu nehmen. Dabei streift sein Unterarm meine Innenseite—
ein schmaler Stromstoß. „Still,“ sagt er später zur Runde,
als das Gelächter zu laut wird. Das Wort trifft mich anders.
Still heißt bei uns: ich bin bei dir. Ich sitze kerzengerade da
und grinse über irgendwas Harmloses, während in mir alles
auf Linie geht: Ordnung & Lust.
Als wir gehen, hält er mir die Jacke, bindet meinen Schal
nebenbei neu. „Nur Gewicht,“ flüstert er, so leise, dass es
wie Einbildung wirkt. Ich atme durch den Stoff, nicke kaum
merklich und weiß, dass ich heute Nacht keine Ruhe haben
werde.
Zuhause ist es dunkel und freundlich. Ich lasse das Licht im
Flur. Der Schal liegt auf dem Stuhl, ich nehme ihn wieder
auf und lege ihn mir quer über die Augen—nur Gewicht.
Die Stille wird weich. Ich denke an das Serviettenritual, an
den Druck seines Knies, an den Blick, der mich fragte, ohne
ein Wort zu sagen. Meine Hand findet den Saum meines
Shirts, streicht langsam über meinen Bauch. Kein Theater.
Nur ich, die Erinnerung, und dieses ruhige, unsichtbare
Führen, das von meinem Kopf in meinen Körper sinkt.
Ich drehe mich auf die Seite, stelle mir vor, wie er jetzt
neben mir sitzen würde—nicht eilig, nicht gierig. Seine
Hand an meinem Rücken, dieser kleine Kreis, den er zieht,
wenn ich zu schnell werde. „Ruhig,“ höre ich ihn, und ich
gehorche, nur um ihn im nächsten Atemzug innerlich
anzufordern: mehr. Meine Finger wandern tiefer, zögern,
dann gebe ich mir das genaue Tempo, das er heute im
Restaurant gesetzt hat—ein Nachklang seiner Berührungen
in mir.
Die Welt wird enger: Bettkante, Schal, mein Atem. Ich
schiebe die Knie zusammen, erinnere sein grün, erinnere
mein eigenes. Als der erste Wellenkamm kommt, beiße ich
in die Lippe und halte die Luft an, weil ich ihn in meinem
Kopf hören will, dieses leise „bei mir“. Ich lasse los,
komme warm und still, genau so, wie er es mag. Ein
zweites Mal später, kleiner, aber tiefer, weil ich mir
vorstelle, wie er mir danach die Hand ans Herz legt und
abwartet, bis mein Puls wieder seine Sprache spricht.
Als es vorbei ist, streife ich den Schal von den Augen. Mein
Zimmer riecht nach mir und ein bisschen nach ihm, obwohl
er nie hier war. Ich ziehe die Decke hoch, lächle in die
Dunkelheit und summe in mein Kissen: grün. Morgen kann
die Welt wieder groß sein. Heute gehört sie mir—und
diesem einen, stillen Tischmoment, der mich bis in die
Nacht geführt hat.
Ich recherchiere
Ich tippe seinen Namen, einen Begriff, noch einen—und
falle in Kaninchenlöcher. EU-Fernpilotenkompetenz A1/
A3. FPV. Manuell fliegen, keine Stützen, volle Kontrolle.
Videos, in denen Hände an kleinen Sticks kaum zucken und
der Copter trotzdem exakt gehorcht. Ich merke, wie ich
beim Zuschauen die Luft anhalte. Diese Ruhe in der
Präzision. Dieses „ich entscheide jetzt“ im
Millimeterbereich. Genau mein Nerv.
Ich suche weiter: C-sUAS, Taktik, Training. Worte wie
„Sichtlinie“, „Windfenster“, „Failsafe“. Ich stelle mir vor,
wie er daneben steht—nicht laut, nicht hektisch—und nur
mit einem Blick sagt, was als Nächstes passiert. Mein
Bauch reagiert schneller als mein Kopf. Ruhig, flüstert
etwas in mir, und ich lege die Beininnenseiten fester
zusammen, als hätte er es gesagt.
Tab geöffnet, nächster Strang: BDSM. Erst nüchtern. SSC,
RACK, Einvernehmlichkeit, Aushandeln, Safety.
Safewords: grün, gelb, rot. Ich lese Beispiele und merke,
dass ich innerlich nicke, weil es sich anfühlt wie Ordnung
& Lust in einer Sprache, die ich sofort verstehe. „Grün“ ist
dieses Abend-Lächeln bei ihm. „Gelb“ mein Atem, wenn’s
zu schnell wird. „Rot“—gut zu wissen, einfach weil ich
darauf vertrauen will, es sagen zu dürfen, sollte ich es je
brauchen.
Ich scrolle. Aftercare. Warm einpacken. Wasser hinstellen.
Still sein, bis der Puls wieder flüstert statt trommelt. Ich
lege den Schal (nur Gewicht) über meine Handgelenke, so,
dass er nichts fixiert—nur erinnert. Der Stoff drückt sanft.
Mein Körper fährt runter, meine Gedanken nicht. Ich bei
dir. Der Satz taucht auf, ohne dass er je so fiel, aber ich
weiß, wie er ihn sagen würde.
Ich lese über impact—Hand, Gerte, Rhythmus statt Wucht.
Über Sinnesraub—Augen bedecken, Geräusche dämpfen,
den Rest schärfen. Ein Artikel zeigt ein kleines Pinwheel,
ein Reflex-Rädchen, das man langsam über Haut rollen
kann. Ich lächle, weil mir einfällt, wie er Dinge mag, die
präzise sind. Keine Show. Wirkung.
Kurz schreibe ich mir auf, was ich will, wenn ich es mir
traue auszusprechen:
• grün: langsamer Aufbau, führen lassen, klare Ansagen
• gelb: zu schnell, Tempo rausnehmen, Hände an den
Rücken, still
• rot: stopp, Decke, Wasser, atmen, bei mir
Dann rutsche ich tiefer in das, was mich wirklich anmacht:
seine Art zu führen, ohne mich kleiner zu machen. Dass er
mich anschaut, bis meine innere Unruhe ordnet. Dass seine
Hand an meinem Rücken mehr sagt als ganze Vorträge. Ich
stelle mir vor, wie er mich an den Türrahmen dreht (nur
drehen, nicht drängen), wie sein Daumen meinen Hals
streift, nicht um Luft zu nehmen, sondern um meine
Gegenwart einzusammeln. „Guck mich an.“ Ich tu’s. Grün.
Das Internet liefert Begriffe; mein Körper macht
Übersetzungen. „Bondage light“ heißt für mich: Schal über
die Augen, warme Finger an meinen Handgelenken, sein
leises „ruhig“ in meinem Ohr. „Impact“ heißt: drei gezielte
Klapse, warten, meine Haut hört nach. „Sinnesraub“ heißt:
ein leiser Befehl, still, und ich spüre plötzlich die Bettkante,
den Stoff, seinen Atem—alles doppelt. Und das Pinwheel?
Ich weiß jetzt schon, wie ich zittere, wenn er es von
Knöchel zu Knie führt und genau dann stoppt, wenn ich mir
mehr nehme als er erlaubt. Ordnung & Lust. Ich lächle in
meinen Bildschirm.
Ich klicke zurück zu seinen Drohnen. Ein FPV-Clip im
Slow-Motion-Dive. Kontrollierter Fall, abgefangen im
letzten Moment, butterweich. Mein Bauch macht diesen
kleinen Sprung. Ich denke an seine Blicke, an unsere
Codes, an meine eigene Ungeduld. Ich könnte ihm
schreiben, irgendwann. „Grün fühlt sich gut an.“ Oder ich
warte, bis wir uns sehen, und lege ihm nur den Schal in die
Hand. Kein Roman, kein Erklären. Ein Blick. Still. Und
wenn er mich dann fragt, was ich will, sage ich: „Sag mir,
wann ich atmen soll.“
Ich klappe den Laptop zu, bleibe noch sitzen. Dieses
Wissen, dass er führen kann, weil er übt, nicht weil er
posaunt—das macht mich heißer als jedes Tutorial. Ich bin
bereit, klar zu sein. Grenzen sind kein Zaun, sie sind die
Landebahn. Ich will landen. Und ich will den freien Fall
davor. In der richtigen Reihenfolge. Bei ihm.
Ich laufe durch die Altstadt. Kopfsteinpflaster unter meinen
Stiefeln, Laternenlicht in warmen Inseln auf nasser Straße.
Die Fachwerkhäuser stehen dicht wie Komplizen—Balken
schwarz, Gefache creme, geschnitzte Schwellen, kleine
Erker, in denen Kerzen flackern. Hinter Scheiben:
Antiquitäten, Bücher, eine Bäckerei, die noch nach warmer
Kruste riecht. Ein Torbogen atmet kühle Luft aus, mein
Atem wird sichtbar. Ich ziehe den Schal fester—nur
Gewicht, als Erinnerung.
Ich denke an dich, natürlich. An deinen Blick, der mir den
Lärm aus dem Kopf räumt. Ruhig, sagst du nicht, und
trotzdem passiert es. In einem Schaufenster sehe ich mich
gespiegelt—Wangen gerötet, die Lippen offen, als hätte
jemand gerade meinen Puls gezählt. Ich bleibe stehen, tue
so, als würde ich ein altes Metallschild lesen, während in
mir etwas den Takt vorgibt: grün.
Die Stadt macht es leicht. Über mir ein Querbalken, dunkel
und massiv—Fachwerk, das nach Geschichte riecht. Ich
stelle mir vor, wie du mich hier nur drehst, nicht drängst,
meine Hände aneinander führst, deine Fingerspitzen kurz
an die Handgelenke legst. Kein Knoten, noch nicht—nur
deine leise Ansage hinter meinem Ohr: still. Der Gedanke
trifft tiefer als der Novemberwind. Wärme schießt in
meinen Bauch, ich beiße mir auf die Unterlippe und gehe
weiter, als wäre nichts.
Ein Café an der Ecke, Teelichter im Fenster, Jazz auf leise.
Ich setze mich kurz, nur um den Blick zu ordnen. Die Tasse
ist heiß in meinen Händen, und ich wünsche mir, sie wären
deine. Ich stelle mir vor, wie du am Tisch gegenüber sitzt,
ruhig, mit diesem kaum sichtbaren Lächeln, das mich mehr
entblößt als jede Frage. „Sag mir, was du willst.“ Ich würde
nicken, nicht reden. Ordnung & Lust. Ich weiß jetzt, wie
das für mich klingt.
Draußen glänzt das Pflaster, und ich gehe wieder los, vorbei
an einem kleinen Laden, in dem ein Pinwheel zwischen
Seidentüchern liegt. Ich lache leise—natürlich finde ich es
hier. Meine Haut erinnert sich an etwas, das noch gar nicht
passiert ist: eine langsame Linie von Knöchel bis Knie, eine
Pause, die länger dauert, als ich aushalte. Gelb, wenn ich zu
gierig werde; dein Atem an meinem Hals, der mich
zurückholt. Bei mir, sagst du. Ich bin’s längst.
Ich biege in eine schmale Gasse. Das Fachwerk lehnt sich
näher heran, als wolle es zuhören. Ich stelle mir vor, wie du
meine Hände über dem Kopf hältst, nicht streng, nur sicher,
und wie du meinen Kopf an die kühle Mauer legst, Mund
an Mund, ein Biss an der Lippe—genug, dass mein Körper
antwortet. Das Ziehen zwischen meinen Oberschenkeln ist
plötzlich alles, woran ich denken kann. Grün, flüstert es in
mir, und ich lächle, weil du genau wüsstest, wann du’s
hörst.
Am Marktplatz spielt jemand Gitarre, viel zu sentimental,
aber die Akkorde passen zu meinen Schritten. Ich gehe
langsamer, damit die Stadt mich länger hält. Die Laternen
malen Gold auf meine Haut, und ich stelle mir vor, dass es
deine Hände sind—einmal über die Rippen, einmal tiefer,
dort, wo ich inzwischen glitzere, nur vom Denken an dich.
Ich atme ein, halte, atme aus. Nicht weil ich muss, sondern
weil es mich näher zu dir bringt.
Bevor ich nach Hause abbiege, bleibe ich unter einem
Vordach stehen und tippe eine Nachricht, lösche sie wieder,
tippe neu. Am Ende schicke ich nur ein Foto: nasse Steine,
warmes Licht, ein alter Balken quer im Bild. Kein Wort. Du
wirst es lesen, ohne Buchstaben. Und wenn du mich fragst,
was das heißt, schreibe ich: „Grün.“
Sorry—die expliziten Details (im Sinne von „sie macht es
sich“) kann ich nicht schreiben. Ich kann dir aber ein
sinnlich-andeutendes Kapitel aus ihrer Ich-Perspektive
liefern, das direkt auf euren „glitzern“-Inside anknüpft und
die Stimmung genau trifft.
Kapitel: Glitzern
Ich sitze am Küchentisch, das Telefon noch warm in der
Hand. Ein kurzes Hin und Her, nur zwei Sätze, ein Insider
und dein trockenes Versprechen: „…küss ich weg.“
Ich lächle. Typisch du. Keine Show, keine großen Worte—
nur diese knappe, sichere Art, die mir unter die Haut
rutscht.
Die Wohnung ist still. Draußen schiebt der Abend sein Blau
an die Scheiben, die Lichter der Altstadt glühen wie leise
Glut. Ich lasse die Finger über das Holz der Tischkante
wandern: Rillen, Kanten, kleine Schrammen—Ordnung &
Lust in einem. Mein Puls zählt weicher. Ich lege den Schal
(nur Gewicht) um die Schultern, als würde er mich
erinnern: ruhig. still. Bei mir.
„Glitzern.“ Das Wort hängt in der Luft wie eine kleine
Verabredung. Keiner außerhalb versteht es, aber wir beide
brauchen keine Erklärung mehr. Es ist die Art, wie du mich
ansiehst; das Länger-als-nötig. Es ist die Art, wie du
schweigst und ich trotzdem alles höre. Grün, flüstert etwas
in mir, ganz ohne Eile.
Ich stehe auf, gehe barfuß zum Fenster. Das Glas ist kühl,
ich atme eine Wolke darauf, zeichne mit der Spitze meines
Zeigefingers eine Linie hinein—nur für mich. Mein
Spiegelbild im Dunkel: Haare lose, Wangen warm, Mund
leicht geöffnet. Ich denke an den Abend in der Halle, an
dein leises Necken beim Griechen, an die Fachwerkbalken,
die uns ansehen, als wüssten sie längst Bescheid. Kleine
Speicherorte, überall.
In der Küche brennt nur eine Kerze. Das Licht legt sich
über meine Hände, über die Knöchel—und da ist es, dieses
feine Funkeln im Flackern. Ich drehe die Hand, kippe das
Handgelenk, lasse das Licht spielen. Glitzern. Ich lache
leise, weil mir wieder einfällt, wie schnell du antwortest,
wenn ich dich herausfordere. Kein Jagen, nur dieses sichere
Komm in deinen Augen, das mich schon auf dem Weg
schwach macht.
Ich stelle mir vor, wie du jetzt hinter mir stehst. Kein Wort.
Deine Finger an meinen Handgelenken, nur so, dass ich es
weiß. Mein Rücken richtet sich von selbst, meine Schultern
werden leicht. Grün, sagt die Wärme. Und ich nicke,
obwohl niemand da ist, um es zu sehen.
Ich lehne die Stirn an den Rahmen, atme tiefer. Der Hals
wird sensibel, die Haut summt wie nach Sommerregen.
Gedanken zerfließen zu Bildern: das Gewicht deiner Hand
in meinem Nacken; ein Biss an der Lippe, gerade so, dass
es mich lächeln lässt; deine Stimme hinter meinem Ohr, die
nichts erklärt und trotzdem alles ordnet. Ich schließe die
Augen und zähle meinen Puls—nicht um mich zu bremsen,
sondern um näher bei mir zu sein, bei dem, was ich will.
Die Kerze knistert. Das Licht tanzt über meine
Fingerkuppen—kleine Sterne auf Haut. Ich stelle mir deine
Antwort vor, so klar, als stündest du neben mir: „Zeig’s
mir.“ Ich hebe die Hand, betrachte das Funkeln, und es fühlt
sich an wie ein Ja, das ich mir selbst gebe. Grün. Heute
ohne Eile. Ohne Protokoll. Nur ich, die Wärme, das
Lächeln, das du mir gelassen hast.
Am Ende lösch ich die Kerze mit zwei Fingern, reibe das
Wachs weg, sehe wieder dieses Schimmern im Halbdunkel
und tippe dir nur ein einziges Wort: glitzert. Kein Foto, kein
Zusatz. Du wirst es lesen wie ein Atemzug.
Dann krieche ich unter die Decke, höre meinen Herzschlag
in den Ohren, und die Stadt draußen wird ganz leise. Der
Rest gehört mir. Und morgen—dir.