Wir Kinkster sind alle gesund, machen Szenen nur, wenn wir emotional stabil sind, und wir achten immer auf Sicherheit oder sind uns zumindest des Risikos bewusst. Eine schöne Illusion, nicht wahr? Sind wir wirklich alle psychisch gesund? Oder haben wir gar das ein oder andere psychische Problem?
Nein, BDSM ist keine psychische Krankheit, das ist inzwischen erkannt worden. Aber das heißt nicht, dass nur völlig stabile und in sich ruhende Menschen in der Szene unterwegs sind.
Eine psychische Krankheit, die inzwischen in weiten Teilen der Gesellschaft vertreten ist, ist Depression. Auch im Bereich BDSM sind depressive Menschen unterwegs.
In diesen unsicheren Zeiten womöglich mehr als sonst, aber auch in „normalen“ Zeiten gibt es eine Menge Menschen, die darunter leiden. Zahlen gibt es keine genauen, denn nicht alle Menschen gehen zum Arzt und lassen sich diagnostizieren.
Sagen wir mal so: Wer will es ihnen verbieten? Wichtiger als eine Auslese, ein Verbot oder was auch immer, ist also die Frage: Wie gehe ich damit um?
BDSM kann heilen. Es kann auch schaden.
BDSM ist kein Heilmittel für Depression. Wenn du keine Neigung in dir verspürst, wird BDSM dich nicht heilen können. Dann schadet es nur. Ich spreche also von Menschen mit der Neigung zu BDSM, die zugleich unter Depression leiden.
Ich will hier nicht auf die Gründe für eine Depression eingehen, denn die sind unglaublich vielfältig. Wer in dieses Thema einsteigen will, sollte auf jeden Fall mit einem Therapeuten sprechen. Ich denke, dass es von der Intensität der Depression abhängt, ob BDSM helfen kann oder nicht.
Eines möchte ich vorausschicken: Bei einer Depression ist Kommunikation zwischen den Partnern noch wichtiger als sonst. Dabei sollte nicht nur die Kink-Wunschliste abgearbeitet werden, sondern auch mögliche Trigger.
Gleichgültig ob für ein kurzes Treffen oder für eine dauerhafte Beziehung, du musst deine Probleme offenlegen. Da eine Depression selten völlig gleichförmig verläuft, sondern in ihrer Intensität schwankt, sollte auch in den „guten“ Zeiten diese Diagnose nicht verschwiegen werden. Im Bereich BDSM gibt es eine Menge Trigger, die eine „schlechte“ Phase auslösen können. Alle Trigger, die du kennst, musst du deinem Partner nennen, damit sie vermieden werden können. Das gilt übrigens für Dom und für Sub, denn eine Depression ist nicht von der Neigung abhängig.
Kommunikation ist nicht nur vor einer Session wichtig. Ganz besonders auch im Laufe der Session, denn ein Trigger kann ganz unverhofft kommen. Nicht alle sind vorher bekannt. Ein Trigger kann einen Absturz auslösen.
Auch hier sind sowohl Dom als auch Sub in der Pflicht, eventuelle Auslöser anzusprechen und auf ihre Wirkung hinzuweisen. Auch wenn es sich nicht um die klassische Situation handelt, die mit einem Safeword abgebremst werden soll. Es geht nicht nur um Schmerzen. Ein Absturz kann auch durch Worte ausgelöst werden, die bei einem anderen Menschen eher harmlos klingen. Gerade Demütigungen oder Herabsetzungen sind gefährlich. Warte mit solchen Spielen ab, bis du deinen Partner sehr genau kennst.
Erstaunlicherweise gibt es umgekehrt eine Reihe von Hilfen, die eine Depression in Schach halten können.
Abgesehen von Schmerzen und Lust gibt es im BDSM noch einen Aspekt, der gerade hier wichtig ist. Der Aufbau des Selbstbewusstseins. Alle Formen einer D/s-Partnerschaft, die das Selbstwertgefühl stärken, können helfen, eine Depression zu verbessern. Ein Lob, wenn Sub etwas richtig gemacht hat, eine Belohnung für das richtige Dienen, auch die Anerkennung eines besonders guten Blowjobs oder einer Leckrunde.
Wir wollen etwas Gutes erreichen, eine Form von Katharsis, ein Abreagieren, das uns erlöst zurücklässt, das Emotionen freisetzt, die sonst in uns verschlossen sind, die wir sonst gar nicht ausleben dürfen. Das sind genau die Punkte, die auch einem depressiven Menschen helfen können.
Als Beispiel möchte ich noch selbstverletzendes Verhalten ansprechen. Du sehnst dich nach dem Schmerz, weil du dich selbst strafen willst oder weil du glaubst, sonst nichts mehr zu fühlen. Es kann helfen, wenn man diese „Verletzung“ dem Partner überlässt. Dieser sorgt dafür, dass die Verletzung nicht so tief geht, vielleicht ohne dauerhafte Spuren zu hinterlassen. Kommt der gewünschte Schmerz nämlich von einer/m verantwortungsbewussten Domme/Dom, wird sogar der Kreislauf von Schuldgefühlen wegen der Selbstverletzung und damit das Auslösen des neuen Antriebs, sich zu verletzen, durchbrochen. Ein Dom darf strafen, er wird es aber so tun, dass es nicht zu neuer körperlicher oder psychischer Verletzung kommt.
Leider birgt das Verhältnis Dom/Sub auch eine Gefahr für Menschen mit Depression. Sie verkraften in der Regel eine Trennung sehr schlecht. Es besteht die Gefahr, dass sie in ein tiefes Loch stürzen, weitaus tiefer als es bei Menschen ohne Depression der Fall wäre.
Solltest du unter Depression leiden, sprich mit deinen Mitmenschen, mit Partner, Familie, Kollegen. Gerne auch mit einem Therapeuten. Du solltest auch deinem Therapeuten gegenüber erwähnen, dass du BDSM ausübst, wenn es für dich eine Neigung ist, die zu deinem Leben gehört. Verschweig es nicht, denn nur so kann eine Therapie auf dich abgestimmt werden.
Wie du letztlich auf BDSM reagierst, kannst nur du feststellen. Niemand sonst. So bleibt dir letztlich nichts anderes übrig, als zu testen. Wie wirkt dies oder jenes auf dich? Was passiert, wenn du es so tust oder anders?
Eine jede Beziehung, die uns Stabilität bringt, die uns tiefe Emotionen bringt, ist gut für die Seele. Versuch es. Wenn du den Partner findest, der zu dir passt, wird sich auch dein Selbstwertgefühl steigern und es wird dir besser gehen.
Hast du Erfahrungen mit BDSM & Despression oder warst du schon einmal in einer Session mit jemandem, der unter Depressionen leidet? Lass es mich wissen 💖
Margaux Navara schreibt erotische BDSM-Romane. Sie weiß, wovon sie schreibt, sie ist submissiv und lebt BDSM mit ihrem Partner aus. Sie gibt Geschichten und Wissen rund um BDSM gerne weiter, zum Beispiel auf ihrem Blog MargauxNavara und jetzt auch auf Fetisch.de.
Join the conversation
You are posting as a guest. If you have an account, sign in now to post with your account.
.