Doch auch wenn wir im Pride Month auf ausgelassene Feierlichkeiten verzichten, hindert uns nichts daran, darüber zu sprechen. In den sozialen Medien wird schon länger über die "Abschwächung" im Ausdruck von Sexualität, BDSM und Kink bei der Gay Pride heiß diskutiert. Wir haben den Autor und BDSM-Pädagogen M. Christian gebeten, für uns diese Debatte zu analysieren.
Während in der LGBTI+-Community seit geraumer Zeit Diskussionen über die übermäßige Kommerzialisierung des Pride Months schon vor sich hin köcheln, hat ein Tweet kürzlich die Twittersphäre zum Schmelzen gebracht.
Zunächst stellte die Autorin darin fest, dass Unternehmenssponsoring zu einer Möglichkeit geworden ist, Gelder für die Repräsentation im Pride Month zu beschaffen und farbige transsexuelle Frauen (WOC für “women of color”) bei der Gay Pride an die Spitze des Kampfes für queere Rechte zu stellen. Darüber hinaus fordert sie:
Zitieren"Bitte bringt eure Kinks und Fetische nicht in den Pride Month, es gibt bei der Gay Pride auch viele Minderjährige und das kann die Veranstaltung sexualisieren."
Diese Person ist leider nur eine von vielen, die diese Meinung vertritt. Im Kern bedeutet diese Ansicht, dass Veranstaltungen im Pride Month oder generell im Rahmen der Gay Pride inzwischen dem "Mainstream" zuzuordnen sind und dass deshalb die öffentliche Zurschaustellung von BDSM oder gar queerer Sexualität überdacht werden müsste.
Diese Unternehmenssponsoren üben eine starke soziale und finanzielle Macht aus, und sind so zu einem Teil der Gay Pride geworden. Doch welches Argument haben sie eigentlich?
Obwohl ich mich absolut mit der LGBTI+-Community solidarisiere, denke ich, dass an diesem Gedanken etwas dran ist.
Für manche fühlt es sich an wie der Tanz mit einem Teufel im Pride Month, doch es ist ein Fakt: Unternehmenssponsoring kann ein enorm mächtiges Werkzeug bei der Gay Pride sein: Finanzielle Unterstützung ist im andauernden Kampf um kulturelle Akzeptanz und damit um Gleichberechtigung eine absolute Notwendigkeit. Ohne sie ist der Kampf nicht zu führen und nicht zu gewinnen.
Es gibt das Argument, dass Konsens eines der wichtigsten Prinzipien von Kinkstern aller Schattierungen ist. Es widerspricht diesem Prinzip Kinks und Fetische bei Veranstaltungen im Rahmen der Gay Pride und des Pride Month sichtbar zu zelebrieren, denn der Konsens unbeteiligter Zuschauer wird bei diesen Events einfach ignoriert. Wir wissen nicht, ob sie damit einverstanden sind.
Es geht mir nicht um eine Pauschalaussage wie "Gay Pride muss sich ändern" oder "Das ist der Preis, den die queere Gemeinschaft im Kampf um Gleichberechtigung im Pride Month zahlen muss". Ich stimme zu, dass es wichtig ist, diese Punkte wenigstens gründlich zu diskutieren, aber ich stimme ihnen entschieden nicht zu.
Ich bin entschieden der Meinung, Kink und BDSM haben ein Recht darauf, Teil von Gay Pride zu sein. Genau darum geht es im Pride Month.
Foto: Pride Parade 2015 von GoToVan über Flickr (CC BY 2.0) License
Beginnen wir mit Unternehmenssponsoring. Es ist erstmal eine gute Sache, dass große Firmen meinen, sie müssen in diesem Sinne auf den Regenbogen-Zug aufspringen und etwas Geld in die Richtung pumpen. Mittlerweile ist die Gay Pride ja schon so im Mainstream angekommen, dass Unternehmen nicht nur sponsern sondern auch ordentlich mit dem Pride Month verdienen. Und das ist toll. Das zeigt, dass die Angelegenheiten der LGBTIQGl-Community mittlerweile bei der Masse angekommen sind. Das Kämpfen hat geholfen.
Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, um wen es hier eigentlich geht. Genau: Um die queere Community, deren Mitglieder immer noch ausgegrenzt, gemobbt und in manchen Ländern sogar getötet werden. So bunt die Parties auf der Gay Pride auch sind, im Kern ist diese ein Protest für mehr Toleranz und Akzeptanz in der Gesellschaft.
Genau deshalb gilt. Die LGBTI+-Community darf niemals von ihnen und ihrem Sponsoring abhängig werden – auch nicht im Pride Month.
Das Argument "mit den Kindern?" ist das, was man einen logischen Fehlschluss nennt: ein Appell an die Emotionen – der oft als Taktik eingesetzt wird, um eine Debatte von Fakten und gut durchdachten Argumenten auf Kinder zu verlagern, die angeblich zu unschuldigen Opfern werden. Das ist eine reine Ablenkungstaktik.
Es ist ganz einfach: Pride Month und Gay Pride zelebrieren das Recht eines/r jeden auf einvernehmliche sexuelle Aktivitäten. Jede/r darf lieben, wen er/sie will, und zwar so wie er/sie es will. Es geht im Pride Month um die Freiheit, man selbst zu sein, ganz gleich, was andere Menschen darüber denken mögen.
Foto: Gay Pride Seattle, WA von Andrew Hitchcock über Flickr (CC BY 2.0) License
Der Konsens, und wie er dazu beiträgt, bei den Paraden im Pride Month öffentlich zu seinen Kinks und Fetischen zu stehen, ist, das gebe ich zu, ein heikler Punkt.
Beim BDSM geht es immer darum, einen klaren und eindeutigen Konsens herzustellen. Wer zu einer Veranstaltung im Rahmen von Gay Pride oder Pride Month geht, muss sich bewusst sein, dass dort Kinks und Fetische zelebriert werden. Man geht auch nicht in eine Slapstick-Komödie und wundert sich, dass jemandem ein Kuchen ins Gesicht geworfen wird.
BDSM und Kinks sind ein integraler Bestandteil der Queer-Community, er war es und wird es wahrscheinlich auch bleiben. Es geht bei Gay Pride auch um das unveräußerliche Recht auf den Ausdruck sexueller Neigungen.
Foto: 3W6A9591 von Véronique Mergaux über Flickr (CC BY 2.0) License
M. Christian ist ein angesehener Autor und BDSM-Pädagoge, der an Orten wie der SF-Zitadelle, Good Vibrations, Beat Me in St. Louis und vielen anderen Orten Kurse über alles von Polyamorie bis zu Tit Torture gegeben hat.
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Cover image: Gay Pride Paris 2011 von Rog01, Flickr (CC BY 2.0) License
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